Stimmen der Fans gehen in die Geschichte ein

William Fliss, Archivist der J.R.R. Tolkien Manuscript Collection

Schon seit 1957 verfügt die Marquette-Universität im amerikanischen Milwaukee über eine der wichtigsten Sammlung an Manuskripten aus Tolkiens Hand. Neben Tolkiens eigenen Werken spielt aber auch die Tolkien-Rezeption eine wichtige Rolle in der J.R.R.Tolkien Manuscript Collection. So haben die Mitarbeiter der Marquette diverse Kritiken und Rezensionen, Zeitungartikel und wissenschaftliche Arbeiten, Interviews und Lehrmaterialien, Dokumentarfilme, Hörspiele und Ausstellungskataloge sowie viele andere Veröffentlichungen gesammelt. Und auch das Fandom gehört zum Gesamtkonzept: etwa in Form von inoffiziellen Fan-Zeitschriften (Zines), Liedern und Illustrationen. Seit 2011 werden auch Inhalte von Websites über Tolkien und das Fandom in die Sammlung aufgenommen.

6000 Fan-Interviews als Teil der Sammlung

Im neusten Teil der Sammlung kommen nun die Fans direkt zu Wort. Zum Tolkien-Lese-Tag am 25. März verkündete Tolkien-Kurator William Fliss den offiziellen Start des ehrgeizigen Oral History-Projekts. In jeweils dreiminütigen Audio-Clips sollen
insgesamt 6000 Fans aus aller Welt drei Fragen zu ihrer persönlichen Geschichte mit Tolkien beantworten. Wann immer 120 – eine Éored – an Kurzinterviews zusammengekommen sind, werden sie der digitalen Sammlung hinzugefügt. Die Namen der Teilnehmer werden dabei nicht veröffentlicht, Alter und Wohnort allerdings schon. Die Fragen sind dabei immer dieselben:

  • Wann sind Sie zum ersten Mal mit Tolkiens Werken in Kontakt gekommen?
  • Warum sind Sie Tolkien-Fan?
  • Welche Bedeutung hat Tolkien für Sie?

Wie ausführlich sie die einzelnen Fragen beantworten, bleibt den Teilnehmern selbst überlassen. Allerdings hat man insgesamt nicht mehr als drei Minuten Zeit. Das Zeitlimit soll die Fans dazu ermutigen, sich auf die Aspekte zu konzentrieren, die ihnen persönlich am Wichtigsten sind. Zur Zeit finden die Interviews ausschließlich auf Englisch statt. Ab Sommer soll es jedoch auch eine Möglichkeit geben, die Interviews in anderen Sprachen durchzuführen, erklärte Fliss auf Nachfrage. Wer also nicht so gut Englisch spricht und trotzdem teilnehmen möchte, sollte noch ein bisschen Geduld haben.

"Ich wünsche mir, dass die Sammlung eine große Vielfalt abbildet. Ich glaube, dass Tolkien ein internationaler Kulturschatz ist und das Fandom dies widerspiegelt."
William Fliss Marquette University
William Fliss

Archivist der J.R.R. Tolkien Manuscript Collection, Marquette University

Von Katholiken und Feministinnen

In einem Teaser-Video auf Youtube kann man schon einmal erahnen, wie unterschiedlich die Fan-Geschichten ausfallen können – und wo die Gemeinsamkeiten liegen. Stimmen aus den USA, Großbritannien, Neuseeland oder China berichten, wie sie durch Peter Jacksons Filme zum Tolkien-Fan wurden oder wie einstige Lesemuffel durch den Hobbit bekehrt wurden, wie begeisterte Pfadfinder die Wanderung der
Gefährten miterlebten oder Blumenkinder der 60er ihre Weltsicht in den Büchern ebenso wiederfanden wie strenggläubige Katholiken. Anderen half der Herr der Ringe, Krisen in ihrem Leben durchzustehen oder ihr Interesse an Sprachwissenschaften zu
entdecken. Themen wie Freundschaft, Naturverbundenheit oder Spiritualität finden sich ebenso wieder wie die überzeugte Feministin, die “trotzdem” Fan geblieben ist.

Mehr Infos

Um an den Interviews teilzunehmen, müsse man nicht sämtliche Bände der History of Middle-earth gelesen oder eine riesige Sammlung an Merchandise-Artikeln haben, erklärt das Team der Marquette auf seiner Homepage. Alle, die sich selbst als Tolkien-Fan betrachten, sind willkommen. Um ein möglichst breites Spektrum an Fans auf der ganzen Welt abbilden zu können, werden die Interviews nicht nur vor Ort in Milwaukee durchgeführt, sondern sind auch über das Videokonferenz-Programm Zoom möglich. Einen Termin dafür kann man sich ganz einfach auf der Homepage des Projekts sichern. Die Termine für den Folgemonat werden dabei jeweils erst am 15. des vorangehenden Monats freigeschaltet. Wer jetzt also enttäuscht feststellt, dass es im Mai keine freie Zeiten mehr gibt, hat ab dem 15. Mai die Chance, einen Termin im Juni zu reservieren. Vor der Teilnahme am Interview muss eine Einverständniserklärung unterzeichnet werden. Aufgenommen wird nur das Audio-Material.

Die Tonaufnahmen stehen künftig als Teil der digitalen Sammlung zur Verfügung. Außerdem werden die Interviews transkribiert und mit Schlagworten versehen, um die Suche nach Aussagen zu bestimmten Themenfeldern oder speziellen Altersgruppen zu vereinfachen. Mehr Informationen zum Projekt und allgemein zur J.R.R.Tolkien Collection gibt es auf der offiziellen Homepage der Marquette University.

 

Credits

Titelfoto & Portrait: Raynor Memorial Libraries, Marquette University

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