Die “kleineren” Werke haben nicht oder zumindest nicht direkt mit Mittelerde zu tun. Sie sind untereinander unabhängig, Ihr könnt sie also in beliebiger Reihenfolge lesen. Manche sind zur Zeit nur in Sammelbänden oder nur in englischer Sprache erhältlich.
Leaf by Niggle
Eine Geschichte über Kunst, Sehnsucht, Tod und Unfertiges: Der Maler Tüftler steckt zum Unverständnis seines praktisch veranlagten Nachbarn Paris sein ganzes Leben in ein hoffnungslos detailreiches Bild von einem Baum. Aus der Arbeit wird er herausgerissen und vom Bild bleibt fast nichts übrig – aber ein Wiedersehen mit dem Mittelpunkt seines Lebens (und mit Paris) gibt es an unerwarteter Stelle. Eine allegorische Geschichte über den Tod, die Tolkien schrieb, als er daran zweifelte, dass er jemals den Herrn der Ringe beenden würde.
Diese Erzählung wurde als “Blatt von Tüftler” ins Deutsche übersetzt, ist aber derzeit nur in Sammelbänden oder antiquarisch erhältlich. Vertont wurde sie unter dem Titel “Elbenwald”.
The Lay of Aotrou and Itroun
Eine düstere Sage mit bretonischen Motiven um eine böse Korrigan (wer “Fee” sagt, den verflucht sie sicher) und ein gebeuteltes Liebespaar. Von Tolkien in den Jahren um 1930 parallel zum Lay of Leithian (siehe The History of Middle-Earth: The Lays of Beleriand) und in derselben Versform gedichtet, nur ohne Happy-End. 2016 neu aufgelegt und um eine Studie der Tolkien-Expertin Flieger erweitert.
Bauer Giles von Ham
In der Zeit, als es in England noch Drachen gab, stolpert der Drache Chrysophylax auf einem harmlosen kleinen Verwüstungszug über den gnadenlos bodenständigen Bauern Giles. Einerseits kann der Drache vor dessen Zauberschwert nur kapitulieren, andererseits wäre es geradezu unanständig, wenn ein Drache sein Wort hielte! Der Kampf geht in die zweite Runde, die noch komplizierter wird, weil die arroganten Ritter des Königs mitspielen wollen. Und als der Schatz bei Giles statt beim König landet, wird die Sache endgültig politisch…
Das Buch entstand um 1937 und spielt in der Gegend um Oxford. Es “erklärt” spielerisch einige Ortsnamen. Dabei werden sowohl der Ritterroman als auch die akademische Behandlung desselben auf die Schippe genommen. Man muss aber kein Mediävist sein, um Spaß an diesem subversiven Märchen voller Querköpfe zu haben. Eines der lustigsten Bücher Tolkiens, passend zum mittelalterlichen Setting illustriert von Pauline Baynes.
Tree and Leaf
Dieser Sammelband enthält neben dem literaturwissenschaftlichen Essay “On Fairy-Stories” die Kurzgeschichte “Leaf by Niggle” sowie zwei Gedichte: Tolkiens sekundärschöpferisches Manifest “Mythopoeia” sowie das skriptartige “The Homecoming of Beorhtnoth Beorhthelm’s Son” über den tragischen Ausgang der Schlacht von Maldon (991), in der angelsächsische Thanes erfolglos versuchten, eine Wikingerinvasion aufzuhalten.
Der Schmied von Großholzingen
Der Titelheld bekommt durch einen Stern, den er als Kind in einem Stück Kuchen isst, die Möglichkeit, ins Elbenreich zu wandern. Nebenher hat der magische Stern natürlich auch Einfluss auf Handwerk und Alltagsleben des nur auf den ersten Blick einfachen Schmieds. Eine eher allegorische Geschichte voller schöner und überraschender Momente. Ein junger Mann namens Terry Pratchett beschrieb das Leseerlebnis in einem Fanbrief an Tolkien folgendermaßen: “Ich fühlte mich, als würde ich von fern her Musik hören, wobei es nach Graves’ Definition vielleicht eher Poesie war”.
Das Buch erschien unter dem Titel “Der Elbenstern” als Hörbuch.
Briefe vom Weihnachtsmann
Viele Jahre lang (ca. 1920-1942) erhielten Tolkiens Kinder als Antwort auf ihre Briefe an den Weihnachtsmann reich illustrierte, mit Briefmarken vom Nordpol versehene Briefe vom Weihnachtsmann zurück. Darin berichten Weihnachtsmann, seine Sekretärin Ilbereth, der unglücksträchtige (Nord-)Polarbär und andere Helferlein von ihrem Leben und ihren Abenteuern am Nordpol. Eine Auswahl der Briefe ist als Buch mit Faksimiles der Originalbriefe erschienen und zeigt nebenbei auch kleine Einblicke in das Leben der Familie Tolkien und das Engagement des Vaters Tolkien, seinen Kindern eine Freude zu machen.
Briefe
Tolkien war passionierter Briefeschreiber. 354 seiner Briefe sind in diesem Buch zusammengetragen und bieten einen Einblick in Leben, Schaffen, Weltbild und Selbstverständnis des Autors. Auch wenn er das zum Zeitpunkt des Schreibens nicht unbedingt vorhergesehen hat, ist diese Sammlung damit ein Stück Zeitgeschichte mit autobiographischen Zügen. Zudem geht Tolkien in vielen Briefen auf Leserfragen ein, sodass sich hier viele wertvolle Informationen für die Tolkienforschung oder auch schlicht für neugierige Leser finden.
Mr. Bliss
Herr Glück kauft sich ein gelbes Auto mit roten Rädern und macht einen Ausflug. Dabei geht einiges schief. Angeblich verdankt der übermütige Herr Glück seine “Fahrkünste” Tolkiens eigenen Erfahrungen am Steuer. Diese bibliophile Ausgabe enthält jeweils auf der einen Seite den Abdruck der Original-Manuskriptseite, gegenüber für die bessere Lesbarkeit den Text in Druckschrift. Die deutsche Übersetzung von 1983 ist derzeit leider nur antiquarisch erhältlich.
Geschichten aus dem gefährlichen Königreich
Dieser Band ist die heute vollständigste Zusammenstellung bereits veröffentlicher kleinerer Geschichten: Es enthält Roverandom, Bauer Giles von Ham, Die Abenteuer des Tom Bombadil, Der Schmied von Großholzingen und Blatt von Tüftler. Es ist auch als Hörbuch erschienen.
Roverandom
Der kleine Hund Rover verärgert einen Zauberer und wird in einen Spielzeughund verwandelt. Beim Versuch, seine alte Gestalt wiederzubekommen, reist er auf den Mond und unter das Meer. Eine lustige episodische Kindergeschichte mit vielen Anspielungen auf die Zeit ihrer Entstehung, die in Anmerkungen am Ende des Buches aufgeklärt werden (aber zum Verständnis und zum Genuss des Textes nicht nötig sind). Die Geschichte sollte ursprünglich Tolkiens Sohn Michael über den Verlust eines kleinen Spielzeughundes am Strand von Filey hinwegtrösten.
Die Legende von Sigurd und Gudrún
Eine Nach- und Neudichtung auf der Basis der altnordischen Überlieferung (darum “Sigurd”, nicht “Siegfried”) und unter Aneignung der aus der Edda bekannten Strophenform: von der Erschaffung der Welt bis zu Gudrúns Rache für ihren ermordeten Mann und dem Untergang der Niflungen. Genau die kontinuierliche Dichtung, die es aus alten Zeiten nicht gibt! Für Wagner-Hörer: bis zum Ende der Götterdämmerung, nur ohne Götterdämmerung…
König Arthurs Untergang
Ein unvollendetes Epos in Stabreimstrophen über die Vorgeschichte der mörderischen Entscheidungsschlacht des Bürgerkriegs zwischen Arthur und seinem Bastardsohn Mordred. Der ausführliche editorische Rahmen von Christopher Tolkien bettet das Fragment einerseits in die riesige Tradition des Artusstoffs ein und zeigt andererseits, wie der (vor 1934 vorliegende) Text sich in die Arbeit am Silmarillion einordnet. Der Anhang enthält Auszüge eines Radiovortrags (“The Old English Verse”), den Tolkien 1938 zur Stabreimdichtung hielt.
Die Geschichte von Kullervo
Ausgekoppelt aus dem finnischen Nationalepos Kalevala, aber wer das Silmarillion gelesen hat, fühlt sich mit Recht an die Tragödie von Túrin Turambar und seiner Schwester Nienor erinnert. Erweitert ist die Geschichte um zwei Vorträge Tolkiens zum Kalevala – in dieser Form ist es eine im 19. Jh. zusammengestellte Mythologie von und für Finnland, die Tolkien dazu inspirierte, etwas Ähnliches für England zu schaffen – sowie um eine exzellente Studie der Tolkien-Expertin Flieger.