Mittelerde als Serie, ein Kommentar

Mordor und der eine Ring - Tobias M. Eckrich

Kaum eine Nachricht hat in letzter Zeit in der Fanszene für so viel Wirbel gesorgt wie die einer möglichen Mittelerde-TV-Serie. Viel war am Anfang nicht bekannt, nur, dass es Verhandlungen gibt und Amazon und Netflix noch dran sind. Die Lizenzkosten sollten bei rund 250 Millionen Dollar liegen und eine Staffel würde weitere 150 Million kosten.

Die Pro- und Contra-Lager waren noch im Begriff, sich zu bilden, und schon kam der nächste Hammer: Acht Tage nach dem Leak bestätigte Amazon nicht nur die Verhandlungen, sie meldeten bereits Vollzug. Amazon hat sich die Rechte an einer Mittelerde-Serie für seinen Streaming-Dienst „Prime Video“ gesichert. 

Viele fragten, ob es denn wirklich eine Serie geben muss. Ich habe immer gesagt, dass wir noch nicht alles von Mittelerde gesehen haben. Es steckt viel Geld in den Geschichten Tolkiens und wo viel Geld ist, wird auch immer ein Weg gefunden, dieses zu bekommen. Vor allem, wenn die Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien beigelegt wurden. Für den Tolkien Estate and Trust wird es wohl einen warmen Geldregen in Höhe von 250 Millionen Dollar geben. Auch wenn Amazon die Serie für alle Prime-Mitglieder kostenlos anbieten will, dürfte es für Amazon ein lohnendes Geschäft werden. Sie können ihren Video- und Prime-Dienst weiter stärken und versuchen, dadurch neue Kunden an sich zu binden. Wenn der Kunde schon Prime braucht, um die Serie zu sehen, kann er auch gleich noch ein wenig Geld bei dem Konzern lassen. Immerhin spart er sich schon mal die Versandkosten und Rabattaktionen gibt es auch zuhauf. Außerdem befindet er sich im Ökosystem des gelben Riesen, der jetzt auch Lebensmittel ausliefert.

Ich unterstelle dem Amazon-Gründer und -CEO Jeff Bezos nicht, dass er es nicht auch ein wenig für sich macht. Aber er gilt mit einem geschätzten Vermögen von rund 90 Mrd. US-Dollar neben Bill Gates als einer der reichsten Menschen der Welt. Das wird man nicht nur durch Wohltaten. Da steckt mit Sicherheit ein ausgeklügelter Plan dahinter. So behält sich Bezos das Recht vor, weitere Spin-off-Serien produzieren zu lassen: dann, wenn die Mittelerde-Serie erfolgreich ist.

Was mich hingegen stört, ist die aktuelle Berichterstattung. Es ist immer wieder von einer Herr-der-Ringe-Serie die Rede. Nach den uns vorliegenden Informationen geht es eher um einen „Prolog“ zum Herrn der Ringe, angesetzt in der Zeit vor Die Gefährten. Jetzt kann man eine Debatte vom Zaun brechen, inwieweit die Anhänge Teil der Geschichte vom Herrn der Ringe sind, aber der allgemeine Leser und Zuschauer assoziiert mit dem Herrn der Ringe die Geschichte von Frodo und der Zerstörung des Rings. Für einen Prolog sprechen folgende Punkte: Zum einen steht in der Pressemitteilung “… eine neue, epische Reise nach Mittelerde …”, zum anderen wird Matt Galsor wie folgt zitiert: “Sharon und das Team von Amazon Studios haben einzigartige Ideen um bisher unergründete Geschichten aus J.R.R. Tolkiens Schriften auf die Leinwand zu bringen”. Um das Ganze noch zu untermauern, steht nirgendwo der Name des Rechteinhabers vom Hobbit und dem Herrn der Ringe: die Firma Middle-earth Enterprises. Sollte es also um eine Herr-der-Ringe-Serie nach Buchform gehen, müsste meines Wissens nach Middle-earth Enterprises mit im Boot sein.

Wichtig ist, dass das Werk Tolkiens so, wie es ist, existiert. Es ist niedergeschrieben und verbleibt so, wie es ist. Egal, ob in deutscher, niederländischer, französischer oder englischer Sprache. Dieses Werk kann man uns nicht nehmen. Auch wenn die TV-Serie so schlecht werden sollte wie die Hobbit-Verfilmung, dann wäre dies schade, es wird aber nicht das Werk als solches kaputt machen. Das ist für viele Menschen eine Befürchtung, die ich nicht teile. Wenn es tatsächlich in die Hose geht, bleibt uns immer noch das Original.

Dass es aber in die Hose geht, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen oder gar behaupten. Amazon hat für das Projekt Mittelerde namhafte Partner an seiner Seite. So wird die Serie von den Amazon Studios in Zusammenarbeit mit dem Tolkien Estate and Trust, HarperCollins sowie New Line Cinema, mittlerweile eine Abteilung von Warner Bros. Entertainment, produziert. Sowohl New Line als auch Warner Bros. haben  mit dem Herrn der Ringe schon gute Arbeit vorgelegt. Je nachdem, inwieweit der Estate und HarperCollins eingebunden sind, gibt es hier noch eine weitere Sicherung.

Außerdem stehen zum jetzigen Zeitpunkt noch keinerlei Posten fest. Nicht einmal ein Drehbuch ist nach meiner Information vorhanden. Es sind auch weder Regie noch Produktion und Editor oder gar das Casting besetzt. Es steht offiziell noch nicht einmal fest, wo gedreht werden soll. Auch wenn die Verträge unterzeichnet sind und die Tinte trocknet, stehen wir dennoch am Anfang einer interessanten Zeit. Wir sind an einem Punkt angekommen, der auch für die Deutsche Tolkien Gesellschaft sehr spannend und interessant wird. Bei so vielen unbekannten Variablen kann ich Euch eines versprechen: Auch bei diesem Projekt wird die DTG ein Auge auf das Ganze werfen und zur Not auch „einschreiten“. Wir werden Euch auch in Zukunft über alle Projekte rund um Tolkien und seine Werke auf dem Laufenden halten.

Egal, wie es nun weitergeht: Jetzt heißt es erst einmal abwarten und Tee trinken. Tee “wegbringen” und neuen Tee kochen.

Tobias M. Eckrich
1. Vorsitzender der Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V.

Credits

Titelfoto: Tobias M. Eckrich

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