Der Stammtisch der Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V. im Vogelsberg traf sich zu seinem jüngsten Fantastischen Ausflug am 12. Dezember 2015 in Lauterbach. Treffpunkt war zunächst der Weihnachtsmarkt am Hohhaus. Der Tag stand ganz im Zeichen der Künste, und so begann er mit einem Besuch der Ausstellung im Museum: „Licht in C-Dur“ von Fritz Reith. Danach ging es in das urgemütliche Atelier des Künstlers Heinrich Euler. Frei nach dem Vereinsmotto „Ohne Tolkien keine Fantasy“ wurde der Illustrator und Buchautor vom Stammtisch befragt, ob und wie J.R.R. Tolkien seine Werke beeinflusst habe.
Den Einfluss gibt Henry Euler gerne zu. So gibt es zum Beispiel in seinem Roman Mechthild, der zur Zeit der Stiftsfehde um 1256 im Fuldaer Land spielt, einen wichtigen Gegenstand, der unbesiegbar machen soll, einen an die Totensümpfe erinnernden Toten Pfuhl und eine Gruppe von Gefährten auf Abenteuerfahrt. „Die Gemeinschaft war mit dabei sehr wichtig“, erzählt Euler. Im Nachwort schreibt er: „Der Antagonist Rabenold spielt eine scheußliche Rolle als Verfolger, wie sie ‚Gollum‘ in meinem Lieblingsbuch Der Herr der Ringe spielt.“ Dem Stammtisch sagt er bescheiden, dass seine Schreibkunst an die von Tolkien wohl nicht heranreicht. Dafür ist er in einer anderen Beziehung dem britischen Autor drei Schritte voraus: Alle Bände seiner Buchonia-Trilogie, von der Mechtild der erste Teil ist, fangen mit einer Zeitreise an.
In den 1940ern forderte Tolkien seinen Freund und Kollegen C.S. Lewis, bekannt als der Schöpfer der Narnia-Bücher, mit dem Schreiben einer Science-Fiction-Geschichte heraus. Daraus entstand seine Perelandra-Trilogie. Lewis wollte von Tolkien im Gegenzug eine Zeitreisegeschichte – eine Herausforderung, an der dieser spektakulär gescheitert ist. Fragmente der „Notion Club Papers“ kann man in Band 9 der posthum von Tolkiens Sohn Christopher veröffentlichten History of Middle-earth finden. Euler entschied sich bewusst für das fantastische Element der Zeitreise in seinen Büchern. „Ich wollte damit Jugendlichen den Vergleich zwischen der Gegenwart und der jeweiligen Zeit ermöglichen.“
Euler entdeckte Tolkien Anfang der 1970er, zur Hippie-Zeit in den USA. „Stellt euch vor, wir saßen damals am Lagerfeuer am See in Jackson und haben uns Märchen erzählt“, sagt Euler. Am Uni-Campus hat er dann den Hobbit erstanden, weil Freunde so davon geschwärmt hatten. „Und ich erinnerte mich, dass eine Ausgabe des Herrn der Ringe im Schaufenster der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung stand. Ich war sofort fasziniert von Mittelerde.“
Die Faszination ging so weit, dass er einen Brief an Tolkien schrieb, in den er einige eigene Illustrationen einfügte und ausdrückte, wie sehr er die Bücher mochte. Leider war Tolkien zu der Zeit schon krank – er starb 1973 an einem stark blutenden Magengeschwür. „Nicht auszudenken, wenn ich eine Antwort bekommen hätte“, sagt Euler. Mit dem Illustrieren hat er selbst erst professionell im Alter von 40 Jahren begonnen, mit dem Schreiben sogar noch später. „Man muss erst selbst Erfahrungen sammeln, und dann eine Obsession oder Leidenschaft für ein Thema entwickeln“, erzählt er.