Rezension: The Riddles of The Hobbit

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Bei Palgrave Macmillan erschien Ende letzten Jahres The Riddles of The Hobbit von Adam Roberts, einem Professor für Literatur des 19. Jahrhunderts an der Royal Holloway, University of London, und Autor der Hobbit-Parodie Der kleine Hobbnix.

The Riddles of The Hobbit – woran denkt man bei diesem Titel? Ich kann Euch sagen, womit ich gerechnet habe: als allererstes mit einem detaillierten Blick auf die Rätsel im Hobbit, deren Hintergrund und Rätseltraditionen, die Tolkien beeinflusst haben könnten. Das Inhaltsverzeichnis unterstützt diese Erwartungen und listet Kapitel, die sich scheinbar auf spezifische Rätselaspekte im Hobbit konzentrieren, und solche über die angelsächsische Rätselwelt, Cynewolf und das Exeter Book, die Rätsel der Alvíssmál und das Rätsel der Volsungen. Und man bekommt tatsächlich auch ein bisschen von dem, was man erwartet, allerdings nicht immer und in der Art wie gedacht.

Erstmal definiert Roberts mehr oder weniger alles, jeden Satz im Hobbit, als Rätsel. Er beschreibt die Tätigkeit des Lesens selbst als eine Enträtselung des Textes. Die Idee, sich nicht nur die einzelnen Rätsel anzuschauen, sondern auch die größeren Fragen dahinter, zu Gott und dem Universum (s. S. 3), ist eine gute, aber in der Ausführung mangelt es an Kohärenz und an einigen Stellen kommt auch der Sinn abhanden.

Im Kapitel, das sich am meisten mit den eigentlichen „Rätseln im Dunkeln“ beschäftigt, konstruiert Roberts eine tiefere Bedeutung hinter den Antworten auf die Rätsel (Berg, Zähne, Wind, Gänseblümchen, Dunkelheit, Ei, Fisch, ein Fisch der gegessen wird, Zeit, der Eine Ring). Es leuchtet ein, dass Gollums Rätsel viel düsterer sind, passend zu seiner finsteren Existenz, aber außerdem leitet der Autor den gesamten Plot des Hobbit von diesen Worten ab und sieht sie ein altenglisches Gedicht widerspiegeln, weil die meisten der Worte darin auch vorkommen. Diese Art der Transformation von Quellenmaterial ist sicher nicht ungewöhnlich für Tolkiens Schaffen, aber manchmal ist ein Rätsel eben einfach nur ein Rätsel. Wenigstens ist die Spekulation bis zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbar. Was danach kommt ist … wohl des Autors des Kleinen Hobbnix würdig.

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Allweis antwortet Thor, Illustration von W.G. Collingwood (1908)

Im Kapitel „The Riddles of the All-Wise“ gipfelt das Buch in einem Gedankenexperiment, das sich klar im Reich der Phantasie abspielt, dabei allerdings jegliche elbische Kunst vermissen lässt, um auch nur den Anschein einer innerweltlichen Konsistenz zu erwecken. Hier betrachtet Roberts die Rätselantworten im Hobbit als eine Art Akrostichon (Gedicht, bei dem die Anfangsbuchstaben, -silben oder -worte der einzelnen Verse einen Namen oder Spruch ergeben) und leitet einen Buchstaben aus jedem Wort ab, um ein imaginäres Rätsel hinter den Rätseln zu lösen. Der relevante Buchstabe für die zwei Fische ist, offensichtlich, S oder Z, „die in ihrer Form die wellenförmigen Kurven eines Fischs beim Schwimmen verkörpern“ (S. 84; meine Übersetzung, auch in allen folgenden Zitaten). Dann findet er eine „visuelle Anspielung“ (ibid.) zwischen A und ‚Berg‘ – und einige Worte für Berge/Bergzüge in fremden Sprachen, die mit einem A anfangen, so zum Beispiel die Alpen. „LL ähnelt einem Zahn“ und V ist „der erste Buchstabe für ‚Wind‘ in vielen Sprachen“ (ibid.). Das Gänseblümchen wird zu einem I, da es im Rätsel als Auge (Englisch: eye, genauso ausgesprochen wie I = ich) beschrieben wird. Die Dunkelheit ist ein M, da sie mirk auf Altenglisch heißt (s. S. 85). „O ist (offensichtlich) ein Buchstabe, der wie ein Ei geformt ist“ (ibid.), aber das würde nicht zu dem Ergebnis führen, das Roberts anstrebt. Deshalb nimmt er stattdessen Æ aus dem altenglischen Wort für Ei: æeg. Zuletzt gibt es dann noch ‚Zeit‘, die sich nicht direkt mit einem altenglischen Äquivalent mit passendem Buchstaben übersetzen lässt … also nimmt man einfach læne (eine kurze Zeit) und lange (eine lange Zeit), um auf das L zu kommen. Zusammengefügt ergibt das dann AŁVISSMÆL, ein Gedicht aus der älteren Edda, das Tolkien sehr gut kannte, und das im Bezug zum Hobbit steht. Was richtig ist. Aber Roberts benutzt eine Methode, Tolkiens Rätsel zu entschlüsseln, die jeden in einen echten Alchimisten verwandelt. Er gibt uns damit die Macht, Blei, ein Gebet, einen Stiefel und Scheiße in Gold zu verwandeln*.

„Ein Kritiker, der für längere Zeit an einem Motiv oder Thema arbeitet, begibt sich in die Gefahr, die mir natürlich bewusst ist, in die gleiche Falle wie Casaubon zu treten – also mit anderen Worten, dass er oder sie anfängt zu glauben, dass das Lieblingsthema tatsächlich den Schlüssel zur ganzen Mythologie enthält“ (S. 13). Zu wahr das. Trotz einiger interessanter Einblicke ins Thema, weist das Werk kaum einen roten Faden auf und springt von einer Spekulation zur nächsten. Es passt perfekt auf das Regal mit Tolkienforschungskuriositäten, auf dem bereits Mellie Uylderts Die Entdeckung von Mittelerde steht, in dem unter anderem die Gefährten mit menschlichen Organen, inklusive Drüsen, verglichen werden.

Rezensionsexemplar: Advance Reader’s Edition, 2013.

*Das alchimistische Zeichen für Blei enthält ein Kreuz, das uns zu Gott führt, und damit zum Buchstaben G. Das O kommt von lateinisch ora = beten. Ein Stiefel hat eine L-Form und das D kommt natürlich vom russischen дерьмо́.

Marie- Noëlle Biemer studierte Anglistik, Russistik und BWL an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und Business Studies an der University of Bradford, UK. Sie arbeitet als Redakteurin bei einer englischsprachigen Fachzeitschrift in Frankfurt. Zu ihrem Lieblingsthema William Morris und dessen Einfluss auf J.R.R. Tolkien hat sie bereits zwei Artikel veröffentlicht. Als Pressesprecherin der Deutschen Tolkien Gesellschaft kümmert sie sich um Presseanfragen, –mitteilungen und die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins. Sie ist außerdem Redakteurin der DTG Website.

 

Review: The Riddles of The Hobbit

At the end of last year, Palgrave Macmillan published The Riddles of The Hobbit by Adam Roberts, a professor for 19th century literature at Royal Holloway, University of London, and the author of the Hobbit parody The Soddit.

The Riddles of The Hobbit, now what does that title evoke? I can tell you what I thought would be waiting for me: first and foremost a detailed look at the riddles in The Hobbit, their background and riddling traditions which might have had an influence on Tolkien. The index supports these expectations, with chapters seemingly focused on specific riddle aspects in The Hobbit and others on the Anglo-Saxon Riddleworld, Cynewolf and the Exeter Book, the riddles of the All-Wise and the Volsung Riddle. And we get a bit of all that, just not quite in the way expected.

First of all, Roberts more or less defines anything in The Hobbit, any sentence uttered, as a riddle. He describes the act of reading as unriddling a text. The idea to not just look at individual riddles but beyond to the large questions of God and the universe (cf. p. 3) is a good one but the implementation lacks coherence and, in some instances, sense.

In the chapter that most focuses on the actual “Riddles in the Dark”, Roberts starts to construe meaning behind the answers to those riddles (mountain, teeth, wind, daisy, dark, egg, a fish, a fish being eaten, time, the ring). It is clear that Gollum’s riddles are far darker, befitting his gloomy existence, but the author also infers the whole Hobbit plot from these words and sees them as a reflection of an Old-English poem because most of the words are mentioned in it. While this sort of transformation of sources is certainly not beyond Tolkien, sometimes a riddle is just a riddle. At least the speculations are comprehensible up to this point. What follows shortly after is … worthy of the author The Soddit, I guess.

In the chapter “The Riddles of the All-Wise” the book culminates in a gedankenexperiment which enters the realm of fantasy, though lacking elvish craft to provide any semblance of an inner consistency of reality. Roberts takes the answers to the riddles in The Hobbit as a form of acrostic (poem in which the first letters, syllables or words of the verses form a name or saying), and derives one letter from each word to unriddle an imaginary riddle behind the riddles (enough riddling there for you?). The relevant letter for the two fish is, of course, S or Z, “embodying in its shape the sinuous curve of a fish swimming” (p. 84). Then he finds a “visual pun” (ibid.) between A and ‘mountain’ – and several foreign words for mountains/ranges starting with an A, including the Alps. “LL resembles a tooth” and V is “the first letter of ‘wind’ in many languages” (ibid.). The daisy becomes an I because it is described as an eye in the riddle; dark is M as it translates as mirk in Old English (cf. p. 85). “O is (obviously) a letter shaped like an egg,” (ibid.) but that wouldn’t be leading to the conclusion Roberts is aiming for. So he takes Æ instead, back to Old English æeg for egg. And last but not least ‘time’, which does not directly translate into Old English with a fitting letter … but let’s take læne (a short time) and lange (a long time) instead to get an L. Put together, all that spells AŁVISMÆL, a poem from the Elder Edda Tolkien was familiar with, and which bears a relationship to The Hobbit. True, but Roberts uses a method to unriddle Tolkien’s imaginary riddles which turns anyone into a true alchemist, empowering us with the ability to turn lead, a prayer, a boot and shit into gold*.

“There is a danger, of which I am of course aware, that a critic working on a theme or topic for any length of time may become Casaubonised – that, in other words, s/he may come to believe that her pet subject actually is the key to all mythologies.” (p.13) Too true that. Despite some interesting insights, the work is overly speculative and unstructured, making it only a perfect fit for the Tolkien research shelf of curiosities that already houses such works as Symbolism in The Lord of the Rings by Mellie Uyldert, in which the author links the characters of the Fellowship with human organs, including glands.

Review copy: Advance Reader’s Edition, 2013.

*The alchemistic symbol for lead includes a cross which links it to God, of course, giving us the letter G. The O comes from Latin ora, to pray. A boot is L-shaped and the D comes from Russian дерьмо́, naturally.

Marie-Noëlle Biemer studied English, Russian and Business at the Justus-Liebig-Universität in Gießen and Business Studies at the University of Bradford, UK. She now works as a news editor for an English-language publication in Frankfurt. She has published two articles on her favourite topic of William Morris and his influence on J.R.R. Tolkien. As press officer of the German Tolkien Society she takes care of the society’s public relations. She is also an editor of the society’s webpage.

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