„Wer braucht schon ein Orchester, wenn man eine Orgel hat?“, war das Erste, das mir in den Sinn kam, als die ersten Orgeltöne am 18. Oktober 2015 in der Sankt Godehard Kirche in Hannover Linden erklangen. Dort fand an diesem Abend das Orgelkonzert „Herr der Ringe meets Kirchenorgel“ statt, das von Jonas Alpmann konzipiert und für die Orgel arrangiert wurde.
Den Auftakt zu diesem wunderbaren Abend machte Hans Zimmers „Where we´re going“ aus dem Film Interstellar. Am Ende des Konzerts erklärten die Musiker auch den Beweggrund hierfür: Es sei für sie eine abenteuerliche Reise gewesen, von der ersten Idee bis zum fertigen Konzert. Das erst zarte, dann wuchtig dröhnende Stück war ein guter Einstieg, der sogleich allen Besuchern verdeutlichte, wieviel Kraft in einer Orgel steckt. Und das war erst der Anfang.
Howard Shores Stücke „Prologue“ und „Prophecy“ bildeten den Einstieg in das Herr-der-Ringe- und Hobbit-Konzert, das durch einen schönen Zufall am Geburtstag des Oskar-prämierten Komponisten stattfand. Sobald die ersten Klänge den Kirchensaal füllten, meinte ich, Galadriels Stimme aus den Schatten zu hören, und sicher hatten nicht wenige dabei wie ich eine Gänsehaut.
„Concerning Hobbits“ dürfte im Gegenzug jedem ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert haben. So fröhlich und leicht kam es durch die imposante Kirche gehüpft, dass einem gleich warm ums Herz werden musste. Doch nicht nur die hohen, fröhlichen Klänge der Zinnpfeifen, auch die warmen, wohligen Töne der Holzpfeifen versetzten mich sofort ins Auenland an einem frühen Spätsommerabend, an dem allmählich alle zur Ruhe kommen und im Grünen Drachen oder im Efeubusch einkehren. So kam auch ich mit der Musik zur Ruhe, kam nach Hause, nach Mittelerde und dachte: „Dicke Pfeifen, dicke Hobbits? Passt.“
Die Orgel ist ein ungemein faszinierendes Instrument, wie sie im Alleingang ein ganzes Orchester nachstellt und man in Stücken wie „Many Meetings“ oder „Evenstar“ sogar einen Chor heraushörte, der gar nicht anwesend war. Nicht umsonst spricht man von der Orgel als „Königin der Instrumente“, wobei ich das als Flötistin natürlich relativieren muss. Aber es ist schon etwas dran an dieser Aussage. Das wunderschöne „In Dreams“ durfte bei einem solchen Konzert natürlich nicht fehlen und die klare, elbengleiche Stimme der Sopranistin Charlotte Diekmann verzauberte die Zuhörer gleichermaßen und ich staunte mal wieder, zu welch wundervollen Interpretationen dieses Werk J.R.R. Tolkiens die Menschen doch immer wieder inspiriert. Zum Beispiel zu einem Orgelkonzert in einer Kirche.
Auch das anschließende Thema von Rohan sowie das Stück „Forth Eorlingas“ beeindruckten mich mit ihren majestätisch gespielten Klängen, aus denen ich Tuba, Oboe, Bratsche und auch wieder den Chor heraushörte. Doch „Isengard Unleashed“ brachte mein Staunen dann auf eine ganz andere Ebene: Johannes Ludwig, der für das Schlagwerk zuständig war, erzeugte mit Eisenrohren einen unheimlich passenden, industriellen Klang, der den Rhythmus des Stücks vorgab. Und den Takt zu „The Last March of the Ents“, das Teil dieses Stückes ist, gab eine Marschtrommel, was die Tatsache, dass die Ents gegen Isengard in den Krieg ziehen, sogar noch mehr unterstrich, als die eigentliche Filmmusik es tut.
Auf das ehrfürchtige „Minas Tirith“ folgte das emotionale „Into the West“, welches von Rabea Bollmann (Alt) eindringlich und souverän umgesetzt wurde. Begleitet wurde ihre wunderbare Stimme von Gitarrist Johannes Erdmann und natürlich von der Orgel, wobei man hier wirklich von einer Begleitung sprechen kann. Das wuchtige Instrument spielte ganz zart im Hintergrund und kam erst zum Finale des Stückes so richtig zu Wort.
Den zweiten Teil des Konzerts bildeten fünf Stücke aus den Hobbit-Verfilmungen, darunter das heitere „Over Hill“ sowie die drei kraftvolleren Stücke „Protector of the Common Folk“, „Thrice Welcome“ und „Girion, Lord of Dale“. Die verschiedenen Klangfarben der Orgel malten wunderbare Bilder von stolzen Zwergen, gefährlichen Drachen und einsamen Bergen in meinen Kopf. Das musikalische Thema von Thal, das sich in diesen Stücken immer wieder findet, scheint für die Orgel geschrieben zu sein und versetzte mich zurück in mein erstes Lese-Abenteuer mit Thorin und Co.
Den Abschluss machte „Beyond the Forest“, eines meiner Lieblingsstücke aus dem Hobbit-Soundtrack. Auch hier erzeugte die Orgel wieder zig Streicher, Flötisten und Sänger, die die andächtige Stimmung der Kirche hervorhoben. Damit endete auch leider das knapp einstündige Konzert und das 6-köpfige „Orchester“, Jonas Alpmann (Orgel und Arrangement), Jakob Duffek (Register), Charlotte Diekmann (Sopran), Rabea Bollmann (Alt), Johannes Erdmann (Gitarre) und Johannes Ludwig (Schlagwerk) bekam tosenden Applaus und Standing Ovations – zu recht!
Ingo Langner, Diakon der St. Godehard Gemeinde, teilte in einer kurzen Ansprache mit, dass die Spenden am Ausgang für die Flüchtlingshilfe der Gemeinde bestimmt sind, und erklärte, wofür genau diese genutzt werden. Er machte auch auf die von Tolkien thematisierte Flucht im Herrn der Ringe aufmerksam, was eine schöne Parallele zum Konzert bot.
Abschließend gab es als Zugabe noch das wunderschöne Stück „Chevaliers du Sang Real“, komponiert von Hans Zimmer für den Film Sakrileg. Es war ein durch und durch gelungenes Konzert, das durch die Professionalität und das Talent seiner Mitwirkenden zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde. Durch die einzigartige Akustik einer Kirche wirkte die Musik noch erhabener als sonst und die vielseitige Orgel trug ihr Übriges dazu bei, diesen Abend so besonders zu machen. Ich jedenfalls kann Jonas Alpmann nur zustimmen, wenn er sagt: „Die Orgel eignet sich perfekt, um Filmmusik mit nur einem Instrument umzusetzen. Die vielen verschiedenen Register bieten eine Vielfalt an Klangfarben und es lässt sich so problemlos ein ganzes Orchester imitieren.“
Fotos
- Die Orgel in St. Godehard (Foto: Herbert Hoppe)
- St. Godehard (Foto: Annika Röttinger)
- Das 6-köpfige „Orchester“ (Foto: Herbert Hoppe)