Nur eine Prise Tolkien: Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt

Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt_rezension

Ende letzen Jahres brachte der Riva Verlag das Buch “Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt: Eine kulinarische Reise nach Mittelerde. Essen wie Hobbits, Elben, Zauberer, Zwerge und Co. – mit leckeren 50 Rezepten wie Lembas, Honigkuchen und Miruvor” heraus. Unser Mitglied Sylvia Lindner hat sich das Buch angenommen und eine Rezension dazu geschrieben.

Bevor ich das Buch erhielt, habe ich mir aus Neugierde die Homepage des Autors angesehen: Patrick Rosenthal war früher viel als Journalist unterwegs. Heute ist er Autor zahlreicher Kochbücher zu verschiedensten Themen sowie Food-Blogger und arbeitet als professioneller Food-Fotograf und -Stylist. Jetzt hat er also auch ein Kochbuch herausgegeben, mit dem er den Leser in Tolkiens Welt eintauchen lassen möchte, denn: „In andere Kulturen einzutauchen und in die Kochtöpfe dieser Welt zu schauen, war schon immer meine große Leidenschaft.“ Diesen Satz schreibt Rosenthal auf seiner eigenen Homepage (eingesehen 22.01.22). In mir lässt die Verbindung aus Buchtitel und diesem Satz natürlich meine Erwartungen an den Inhalt des Buchs in die Höhe schnellen. Werden sie erfüllt?

Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt
Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt

Zunächst zum Buch selbst: Dieses kommt als solide Hardcover-Ausgabe daher, ist nicht zu groß, so dass man es auch in einer kleineren Küche bequem neben dem Herd platzieren kann. Auf dem Cover ist eine Collage aus verschiedenen Gerichten abgebildet, deren Rezepte man später auch im Inneren finden kann. Wichtig ist dem Riva-Verlag, in dem das Buch erschienen ist, zudem der Hinweis, dass es sich hierbei nicht um ein offizielles Lizenzprodukt handelt (wie meines Wissens keines der bisher zu diesem Thema erschienenen Bücher). Diesen Hinweis findet man direkt auf dem Cover sowie (natürlich) im Impressum. Aber: Keine Lizenzgebühren an Middle-earth Enterprises und Harper Collins – günstigerer Preis. Mit 15 € ist es das günstigste von Tolkiens Welt inspirierte Kochbuch am Markt. Den Buchrand ziert rundum eine Banderole im keltischen Knotendesign, in den jeweiligen Ecken findet man kleine Gestalten, die man als Zauberer, elbischer Bogenschütze und vielleicht als Orkkrieger und -bogenschütze identifizieren kann – es sind relativ generische Fantasy-Figuren. Selbige Banderole findet man im Buch auch um die ganzseitigen Bilder zu den Rezepten wieder, die Figuren sind jeweils einer Rubrik im Buch zugeordnet: Frühstück sowie Leckeres aus den Obstgärten: Zauberer, Brote und Snacks: elbischer Bogenschütze, Wärmende Mahlzeiten und stärkende Suppen: Orkkrieger, Getränke: Orkbogenschütze. Das sieht niedlich aus, hat aber ansonsten (leider) keine andere Funktion. Optisch ist das Buch hübsch anzusehen (da merkt man den Profi), auch wenn ich es schade finde, dass die ganzseitigen Bilder (größtenteils vom Autor selbst gestaltet, mit kleinen Ergänzungen aus der üblichen Quelle Shutterstock) sehr wenig Mittelerde-Flair vermitteln. Man findet sie teilweise auch auf seiner Homepage, allerdings ohne Banderole und sie könnten genauso gut für die Landlust oder Living at Home verwendet werden. Leider dominieren sie das Buch, vor allem, wenn das Rezept auf der Gegenseite lediglich die halbe Seite bedeckt und der Rest freigelassen wurde (vielleicht soll man eigene Notizen machen?). Schade eigentlich, denn hier wurde Potential verschenkt, das Buch optisch nach Mittelerde zu transferieren.

Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt
Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt

Weit wichtiger wie das Äußere und das innere Design ist jedoch der Inhalt. Und dabei sind mir zwei Dinge besonders wichtig: Erstens die Rezepte selbst. Ich wünsche mir ein auch für Laien verständlich geschriebenes Buch, sehr gerne auch mit einer Kennzeichnung von leichteren und schwereren Rezepten. Dass die Rezepte gut nachzukochen sind, erfüllt das Buch voll und ganz. Und lecker ist das, was ich nachgekocht habe, allemal. Leider entfällt eine Beurteilung des Schwierigkeitsgrades, ebenso vermisse ich eine Angabe der Vorbereitungszeit. Und auch vernünftige Tipps und Tricks zur Herstellung der Rezepte fehlen. Stattdessen gibt es sporadisch mal eine Erklärung, beispielsweise, dass Bannock aus dem Schottischen kommt (das wird wirklich nicht jeder wissen), ein anderes Mal gibt es den Tipp, dass Suppengrün, wenn man es nicht im Bündel erhalten kann, auch selbst aus Karotte, Knollensellerie, und Lauch zusammengestellt werden kann…

Passen die Rezepte denn nach Mittelerde? Die Antwort ist: Irgendwo in Mittelerde wird sicher irgendetwas in der beschriebenen Art gegessen – wo, das bleibt dem Leser leider selbst überlassen. Klar gibt es mittelirdische Kochklassiker, die in keinem der mir bekannten Mittelerde-Kochbücher fehlen, wie (Sams) Kanincheneintopf oder Pilzgerichte. Versuche, Cram und Lembas selbst zu interpretieren, gibt es auch und Patrick Rosenthal ist da keine Ausnahme. Was für mich nicht stimmig ist, sind solche Bezeichnungen wie „Hobbit Style Mushroom Toast“ – für die traditionellen Hobbits finde ich das einfach zu modern. Schön finde ich hingegen an dieser Stelle, dass sich im Buch auch an Getränken wie Miruvor versucht wird. Mittelirdische Getränke in Kochbüchern sind bisher doch eher selten.

Zweitens sollte bei einem Kochbuch über Tolkiens Welt diese Welt auch etwas Raum im Inhalt bekommen, oder anders gesagt: Bei einem Kochbuch, das Tolkiens Mittelerde verspricht, sollte auch Tolkiens Mittelerde drin sein. Wir erinnern uns: Der Titel verspricht genau das. Tolkiens Mittelerde, nicht Peter Jacksons mit einer Prise Tolkien. Die Bilder werden uns beim Suchen und Finden Mittelerdes im Buch leider keine Hilfe sein und die Banderole mit Figuren ist nun mal eher generische Fantasy. Wie steht es mit Einführungen in die Rezepte? Das Mindeste sollte meines Erachtens eine Erklärung sein, warum man dieses oder jenes Gericht ausgewählt hat und idealerweise, in welcher Gegend oder bei welchem Volk das Gericht gerne gegessen wird. Dies wird leider sehr pauschal in den Einleitungen zu den Rezeptkategorien abgehandelt und könnte seine Ursache auch in der mangelnden Lizenz haben. Und ich habe den starken Eindruck, dass vor allem auf Peter Jacksons filmische Interpretation (kurz) Bezug genommen wird: „Ihr könnt euch vorstellen, wie oft ich danach die Filme angucken musste!” (S. 9), „Ich habe bewusst auf Eowyns Eintopf verzichtet…” (S. 47).

Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt
Das inoffizielle Kochbuch zu Tolkiens Welt

Man hat beim Lesen des Vorworts deutlich den Eindruck, dass Patrick Rosenthal über die Herr-der-Ringe-Filme zum (Koch-)Buch gekommen ist. Abgesehen von seiner Begeisterung für die Essgewohnheiten der Hobbits wird nicht ganz klar, warum er ausgerechnet zum Thema „Tolkiens Mittelerde” ein Kochbuch herausbringen möchte. Weiter schreibt er, dass es in Tolkiens Werk nicht viele Hinweise auf die Essensgewohnheiten gäbe. Wer sich nur ein wenig intensiver mit dem Hobbit und dem Herrn der Ringe auseinandergesetzt hat, kann jedoch doch sehr viele Hinweise entdecken. Und auch wer einfach „Auenland“ bzw. „Shire“ und „Tolkien“ in eine Suchmaschine eingibt, kann zumindest das Auenland – dessen Bewohner den Autor mit ihren Essgewohnheiten so sehr erfreut haben – ohne viel Mühe und Aufwand geographisch eindeutig verorten. So hätte man von dort ausgehend auch die Wohnorte anderer Bewohner Mittelerdes zumindest grob einordnen und geeignete Rezepte finden können. Eventuell hätte es dann auch Bilbos Himbeermarmelade ins Buch geschafft (die wird im Hobbit ja explizit genannt!) und die Orangenmarmelade wäre einem anderen, vielleicht passenderen Volk weiter südlich zugeordnet worden. So muss man sich als Leser mit einigen pauschalen Erläuterungen zu den Essgewohnheiten der Bewohner Mittelerdes abspeisen lassen. Ein wirkliches kulinarisches Eintauchen in Mittelerde ist so leider nicht möglich. Das ist aus meiner Sicht sehr schade, denn die Autoren der mir bekannten Kochbücher zum Thema leisten bei ihren kulinarischen Reisen nach Mittelerde auch ohne Lizenz sehr viel mehr.

Schließlich stellt sich die Frage: Wer will dieses Buch haben? Die Antwort lautet: Zugreifen wird, wer jedes Fitzelchen über Mittelerde oder wirklich jedes Kochbuch zum Thema haben möchte. Auch als Mitbringsel für Filmfans ist es definitiv geeignet. Wer das Buch jedoch nicht nur zum Nachkochen haben will, sondern darüber hinaus noch erfahren möchte, warum welches Gericht von welchem Volk gerne gegessen wird, der ist mit den anderen Mittelerde-Kochbüchern besser bedient.

Eckdaten zum Buch

Preis: 16 Euro
Format: Softcover
Seiten: 128
Herausgeber / Autor: Patrick Rosenthal
Verlag: Riva
Sprache: deutsch
ISBN: 978-3742319524

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Credits:

Titelfoto: Riva / DTG / AdobeStock (Rawf8 / 165478224) 

Fotos: Tobias M. Eckrich

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