Tolkien Seminar Tag 1: Von Tolkien und Shakespeare

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Am Freitagnachmittag begrüßte Prof. Dr. Peter Wenzel (Bild links) am Institut der Anglistik der RWTH Aachen Gäste und Vortragende aus ganz Europa zur 10. internationalen Tolkien Konferenz der Deutschen Tolkien Gesellschaft. Er stellte Parallelen zu Veranstaltungen der Deutschen Shakespeare Gesellschaft her. „Der Dialog zwischen Wissenschaft und interessierten, und vor allem gut informierten, Laien steht in guter Tradition, ist im wissenschaftlichen Betrieb heutzutage allerdings nur noch selten zu finden“, sagte er – und verfolgte alle Vorträge und diskutierte angeregt mit. Die einzige jährlich stattfindende Tolkien Konferenz beschäftigte sich dieses Jahr dem Thema „Adaptionen von Tolkiens Herrn der Ringe.

Dr. Dr. h.c. Thomas Fornet Ponse begann mit der theoretischen Steilvorlage zum Thema und gab einen Überblick über verschiedene Adaptionsstrategien. Neben technischen Mitteln bei der Umsetzung einer Adaption, wie Verkürzung oder Fokussierung, stellte er unter anderem auch Beschränkungen vor, die z.B. juristischer oder finanzieller Art sein können.

Dr. Annie Birks sprach über „Cash or Kudos?“ der filmischen Umsetzung des Herrn der Ringe durch Peter Jackson. Hat er mit seiner Adaption nur Geld gescheffelt oder zur Verbreitung Tolkiens Werk beigetragen? Dazu befragte sie 2,350 Studenten an der Universität in Angers, Frankreich nach deren Erfahrungen mit Buch und Film, auch abhängig davon, welches der beiden sie zuerst rezipierten. Der Film bewegte überdurchschnittlich viele Zuschauer dazu, das Buch zu lesen, da sie mehr aus der faszinierenden Welt Tolkiens erfahren wollten. Die Hauptkritikpunkte am Film waren, unabhängig davon ob die Studenten zuerst den Film oder das Buch rezipierten: Faramirs Charakterverzerrung, der fehlende Tom Bombadil, die Darstellung Legolas, eine übertrieben dramatische Liebesgeschichte, das Fehlen der Schlacht im Auenland als Endpunkt der Reise und Entwicklung der Hobbits und die Fokussierung auf als eher unwichtig angesehene Themen oder Szenen. Kritik am Buch gab es auch, unter anderem an den ausführlichen Landschaftsbeschreibungen, dem langen Prolog und dem schweren Stil. Birks kommt zu dem Schluss, dass die Umfrage Mut macht, denn die Filme haben viele Zuschauer zu begeisterten Lesern gemacht, die durchaus zwischen Original und Adaption unterscheiden und beide auf ihre Weise würdigen können.

DTG-Vorstandsmitglied und Mitorganisator des diesjährigen Seminars Julian Eilmann analysierte die unterschiedlichen Erzählstrategien im Buch und im Film von Peter Jackson. Er beleuchtete unter anderem Verdichtung, Parallelmontage, kurze Cliffhanger und das Abweichen vom Pfad der Hauptcharaktere im Film im Gegensatz zu den Handlungsblöcken im Buch, die nur den Hauptcharakteren folgen und die Chronologie durchbrechen.

Dr. Dr. h.c. Frank Weinreich und Tobias Hock sprachen zum Abschluss des Konferenztages über Gewalt im Buch und in Peter Jacksons Film, wobei der Philosoph interessanterweise die quantitative und der Mathematiker die qualitative Analyse übernahm. Aufbauend auf seinem Vortag vom Tolkien Seminar 2009 in Hannover zum Thema Gewalt bei Tolkien, errechnete Weinreich nun auch den Anteil an direkter und indirekter Gewalt im Film, der, wie erwartet, mit etwa 40% doppelt so hoch ausfällt wie im Buch. Hock veranschaulichte, dass dies kein Qualitätsurteil sei, da Dinge wie Landschaftsbeschreibungen, die im Buch viel Platz einnehmen, im Film mit einer kurzen Einstellung abgehakt werden können, während die knappe Beschreibung eines Kampfes tatsächlich mehr Zeit auf der Leinwand benötigt. Auch in der Darstellung von Gewalt wird im Film ein durchaus differenziertes Bild gezeigt und auf die dunklen Seiten des Krieges hingewiesen, wenn auch nicht so eindringlich wie im Buch.

Rossenberg-doctorate_c_FrankWeinreichDie Dwarvish University of the Blue Mountains verlieh in guter Tradition wieder einen Ehrendoktortitel für Personen, die sich um die Tolkienforschung und –verbreitung verdient gemacht haben. In diesem Jahr wurden allerdings gleich zwei Titel verliehen.* Der erste ging am Freitagabend an René van Rossenberg (Bild rechts), verliehen vom Department of Economics für außerordentlich profitable Leistungen in der Verbreitung Tolkiens Werks. Van Rossenberg ist aber nicht nur Chef des Tolkienwinkels, dem einzig der Autorin bekannten nur auf Tolkien spezialisierten Geschäft der Welt, sondern selbst auch Sammler – woraus mittlerweile ein Museum in Leiden, Niederlande entstanden ist – und aktives Mitglied und früherer Vorsitzender der niederländischen Tolkiengesellschaft Unquendor. Er besucht jedes Jahr das Tolkien Thing und viele weitere Veranstaltungen der DTG und hat dort schon einige erstklassige Vorträge gehalten, unter anderem über einen Besuch Tolkiens in Rotterdam oder Gollum als Golem.

*den Grund dafür und den zweiten Kandidaten gibt es in einem der nächsten Berichte zum Tolkien Seminar

>Fortsetzung Tag 2

Bilder: Frank Weinreich

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