Vom 8. bis 9. März 2019 fand das alljährliche Symposium der Inklings-Gesellschaft für Literatur und Ästhetik e.V. statt, dieses Jahr in den Räumen des Instituts für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie an der Universität Bonn. Thema war „Flora und Fauna in Fantastischen Welten“. In 16 Vorträgen wurden Aspekte der Tier- und Pflanzenwelten modernen Fantasyromane behandelt. Dabei reichte die Vielfalt von Peter Pan bis Harry Potter, von Gestaltwandlern bis zu sprechenden Tieren, von bedrohten Pflanzen bis zu wandelnden Bäumen.
Auch die Werke J.R.R. Tolkiens wurden in drei Vorträgen behandelt. Da sie die letzten (aber nicht das Letzte) des Symposiums waren, müsst Ihr für sie ein bisschen runterscrollen.
„Ecocriticism“ und Mensch vs. Tier
Als ein Hauptbegriff kristallisierte sich der das Konzept des „Ecocritcism“ („Ökokritik“) heraus. Darunter versteht man den Umgang mit beziehungsweise den negativen Einfluss auf die Natur durch den Menschen aus ökologischer Sicht.
Ein weiteres Thema, dass in mehreren Vorträgen immer wieder aufgegriffen wurde, war das Tier-Menschen-Verhältnis: Was macht einen Menschen zum Menschen und was unterscheidet uns von Tieren? Wie menschlich sind sprechenden Tiere?
Die Vorträge
Los ging es am Freitag, den 9. März 2019 um 9 Uhr mit einer Begrüßung durch die Inklingsvorsitzende Maria Fleischhack und einer kurzen Einführung durch Prof. Dr. Marion Gymnich, Professorin für Anglistische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Bonn, und Denise Burkhard, die bei ihr promoviert. Zusammen hatten sie das Symposium organisiert, die Vorträge ausgewählt und die Räumlichkeiten des Instituts zur Verfügung gestellt. In ihrer Einführung gaben sie einen kurzen Überblick über das Thema des Symposiums.
Die Mehrzahl der Vorträge wurden in diesem Jahr auf Englisch gehalten – nicht zuletzt vermutlich, da viele der Vortragenden Studierende am Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie der Universität Bonn waren.
Narnia (Slot 1)
Die Vorträge im ersten Slot beschäftigten sich mit C.S. Lewis‘ Narnia-Büchern. Dabei beschäftigte sich der Vortrag „“Narnia, awake. Love. Think. Speak. […] Be talking beasts.” – Talking Animals in C.S. Lewis’ Chronicles of Narnia“ von Bera Bub und der Vortrag „Die Bedeutung der Sprechenden Tiere in den Chronicles of Narnia von C.S. Lewis“ von Hand Leßke eben mit den Tieren Narnias, die die Gabe der Sprache erhalten haben. Beide Vortragenden stellten heraus, dass Sprache von Lewis als ein Privileg dargestellt wird und die sprechenden Tiere als Elite Narnias. Der Vortrag „Silencing Nature – Ecocriticism in C.S. Lewis’ The Chronicles of Narnia“ von Michèle Ciba wandte hingegen das Konzept des Ecocriticism auf die Welt von Narnia an und stellt dabei heraus, wie die Unterdrückung der Natur, beispielsweise während des ewigen Winters im Buch Der König von Narnia, als negativ dargestellt wird.
Peter Pan (Slot 2)
In den folgenden beiden Vorträgen ging es um J.M. Barries Peter Pan. Dana Steglich betrachtete in ihrem Vortrag „Lock-Out Time. The Boundaries of Space and Identity in J.M. Barrie’s Peter Pan in Kensington Gardens“ den berühmten Park Kensington Gardens in London und seine Bewohner in Barries Roman als einen Ort im Gegensatz von Tag und Nacht und im Kreislauf von Mensch zu Tier, sowie Peter Pan als Charakter, der diesen Gegensatz und Kreislauf durchbricht. Jasmin Sültemeyer stellte in ihrem Vortrag „“Nice birdie!”: Taming the Never Bird in Joe Wright’s Pan (2015)“ heraus, dass die Zähmung des Never Birds metaphorisch für die Überwindung seiner Ängste durch Peter Pan steht.
Bäume & Wälder (Slot 3)
Nach der Mittagspause lautete das Thema des dritten Slots „Trees and Forests“ und beinhaltete mit den Vorträgen „The Loss of Ancient Forests: An Ecocritical Reading of Fantasy Worlds“ von Britta M. Colligs und „Stories Are the Wildest Things of All – Arborescent Wisdom and Monstrous Truths in Patrick Ness’s A Monster Calls“ von Franziska Burstyn wieder zwei Beiträge zum „Ecocritisim“. Colligs bechäftigte sich hauptsächlich damit, wie Bedrohung von Wäldern durch Rodung im Roman „The Ancient One“ von T.A. Barron im Beispiel eines einzelnen, uralten Baumes verarbeitet wird. Burstyn stellte den Roman A Monster Calls von Patrick Ness vor, in dem die Natur in Gestalt des Fabelwesens „Green Man“ einen Jungen an die Verantwortung der Menschen für die Natur heranführt.
Tiere (Slot 4)
Der nächste Slot widmete sich dann dem Thema „Animals“. Stefanie Jakobi zeigt in ihrem Vortrag „Hyena People, sprechende Hunde und Animagi – Tierische Verwandlungen in kinder- und jugendliterarischen Medien“ auf, wie populär Mensch-Tier-Verwandlungen in der Jugendliteratur sind. Dabei gingen die Verwandlungen über das traditionelle Motiv der Verwandlung als Bestrafung eines Menschen hinaus und verhandelten stattdessen Themen wie Identität in oft humoristischer Weise. Marthe-Siobhán Hecke beschäftigte sich in ihrem Vortrag „Of World Turtles and World Elephants – Terry Pratchett’s Ironic World Building“ mit dem Thema worldbuildig und zeigte am Beispiel der „Scheibenwelt-Romane“ von Terry Prettchart, dass es dabei nicht unbedingt bierernst und realistisch zugehen muss, sondern dass auch ein, für uns sehr krude anmutendes, aber doch sehr altes Weltbild wie in den Scheibenweltromanen sehr erfolgreich sein kann.
9:00-9:15: Begrüßung
Slot 1: Narnia (9:15-10:45)
1.) Vera Bub: “Narnia, awake. Love. Think. Speak. […] Be talking beasts.” – Talking Animals in C.S. Lewis’ Chronicles of Narnia
2.) Michèle Ciba: Silencing Nature – Ecocriticism in C.S. Lewis’ The Chronicles of Narnia
3.) Hans Leßke: Die Bedeutung der Sprechenden Tiere in den Chronicles of Narnia von C.S. Lewis Kaffeepause (15 Minuten)
Slot 2: Peter Pan (11:00-12:00)
4.) Dana Steglich: Lock-out Time. Die Grenzen von Raum und Identität in J.M. Barrie’s Peter Pan in Kensington Gardens
5.) Jasmin Sültemeyer: “Nice birdie!”: Taming the Never Bird in Joe Wright’s Pan (2015) Mittagspause (90 Minuten)
Slot 3: Trees & Forests (13:30-14:30)
6.) Britta M. Colligs: The Loss of Ancient Forests: An Ecocritical Reading of Fantasy Worlds
7.) Franziska Burstyn: Stories Are the Wildest Things of All – Arborescent Wisdom and Monstrous Truths in Patrick Ness’s A Monster Calls
Kaffeepause (15 Minuten)
Slot 4: Animals (15:15-16:15)
8.) Stefanie Jakobi: Hyena People, sprechende Hunde und Animagi – Tierische Verwandlungen in kinder- und jugendliterarischen Medien
9.) Marthe-Siobhán Hecke: Of World Turtles and World Elephants – Terry Pratchett’s Ironic World Building Kaffeepause (15 Minuten)
Slot 5: Gardens (16:30-18:00)
10.) Leonore Sell: Planting the Seed of Magic: E. Nesbit‘s The Wonderful Garden and Magical Learning from Pliny to Harry Potter
11.) Julia Shirley: Alice in the Garden of Animated Flowers – Agency in Carroll’s and Disney’s Plants
Gärten (Slot 5)
Im letzten Slot am Samstag kehrten wir mit dem Thema „Gardens“ zurück in die Fauna. Leider musste der Vortrag „Planting the Seed of Magic: E. Nesbit’s Texts as a Root for J.K. Rowling’s Harry Potter Series Exemplified by The Wonderful Garden“ von Leonore Sell leider krankheitsbedingt ausfallen. Julia Sherley untersuchte in ihrem Vortrag „Alice in the Garden of Animated Flowers – Agency in Carroll’s and Disney’s Plants“ die unterschiedliche Darstellung der sprechenden Blumen in Lewis Carrols Alice hinter dem Spiegel und der Verfilmung durch Disney.
Slot 6: Harry Potter (9:00-10:30)
12.) Rahel Maria Schneider: Of Mandrakes and Whomping Willows – Harry Potter and the (Ab)Use of Nature
13.) Carsten Kullmann: “Expecto Patronum”: Animal Symbolism Behind the Patronus Charm
14.) Muna Zubedi: Socks, Ashes and Seduction – Power and Power Control of Creatures in the Harry Potter-series
Kaffeepause (15 Minuten)
Slot 7: Tolkien (10:45-12:15)
15.) Sina Stephan: Flora and Fauna vs. Predator(s) in J.R.R. Tolkien’s The Fall of Gondolin
16.) Peri Sipahi: Silent Signs of Remembrance – Botanical Representations of Memory in J.R.R. Tolkien’s The Lord of the Rings
17.) Thomas Kullmann: The Trees and Shrubs of Middle-earth
12:15: Verabschiedung
Mittagspause (90 Minuten)
Mitgliederversammlung: 14:00-16:00
Harry Potter (Slot 6)
Am Sonntagmorgen ging es dann weiter mit einem Slot zum Thema „Harry Potter“. Rahel Maria Schneider beschrieb in ihrem Vortrag „Witches and Wizards above Nature: An Ecocritical Discussion of Anthropo-centrism in the Harry Potter Universe“ den Umgang von Rowlings Hexen und Zauberern mit der Natur als negativ. Pflanzen würden ausschließlich wegen ihres Verwendungszwecks gehegt, nicht um sie zu bewahren. Carsten Kullmann erläuterte in seinem Vortrag „“Expecto Patronum”: Animal Symbolism Behind the Patronus Charm“ wie sich traditionelle Tiersymbolik in Rowlings Werken als Metaphern für die Charaktereigenschaften bestimmter Figuren zeigt. Muna Zubedi argumentierte in ihrem Vortrag „Socks, Ashes and Seduction – Power and Power Control of Creatures in the Harry Potter-series“, dass “Macht” im Harry-Potter-Universum weder mit tatsächlicher Zauber-, Geistes oder Körperkraft zusammenhinge, sondern mit dem sozialen Status eines Lebewesens.
(Endlich) Tolkien (Slot 7)
Und dann kamen die endlich die Vorträge zum Thema Tolkien, im letzten Slot des Symposiums. Sina Stephan begann mit dem Vortrag „Flora and Fauna vs. Predator(s) in J.R.R. Tolkien’s The Fall of Gondolin“. Sie zeigte, wie Tolkien im Fall von Gondolin die positive Natur mit Bäumen, Flüssen und Tieren den negativen künstlichen, feurigen Angreifern wie eiserne Kreaturen und Balrogs gegenüberstellt. Dieser Gegensatz von Natur und Industrie zeige sich auch in späteren Werken Tolkiens, so zum Beispiel in Bruchtal und Isengart.
Der nächsten Vortrag „Silent Signs of Remembrance – Botanical Representations of Remembrance in J.R.R. Tolkien’s The Lord of the Rings“ von Peri Sipahi ging es um das kulturelle Gedächtnis nach Assmann und wie dieses für die Völker Mittelerdes dargestellt werde. Dabei symbolisierten die Simbelmyne, die „Immertreu“, als Blumen auf den Grabhügeln in Rohan das Gedenken an die verstorbene Person. Der weiße Baum Gondors symbolisere hingegen das Wissen um die núménorischen Vorfahren und ihr Königreich. Die Simbelmyne als vergänglichere Pflanzen als der Weiße Baum seien auch Symbole für die mündliche und damit leichter zu verlierende beziehungsweise schriftliche und länger andauernde Kultur der Rohirrim und Menschen aus Gondor. Beide Pflanzen reflektierten aber die unausweichliche Sterblichkeit der Menschen, die nur durch Erinnerung weiterleben könnten.
Thomas Kullmann arbeitete im letzten Vortrag „The Trees and Shrubs of Middle-earth“ heraus, dass die vielen von Tolkien im Herrn der Ringe erwähnten Pflanzenarten (etwa 70 an der Zahl), dreierlei Funktionen hätten. Zum einen zeigten sie die Orte und Länder an, durch die die Hobbits auf ihrer Reise kommen. Die Vertrautheit der Hobbits mit den Gewächsen nähme immer weiter ab, je weiter sie sich von ihrer Heimat, dem Auenland, entfernten. Weiter seien die Pflanzen, und vor allem die Bäume, Konstanten in der sich sonst wandelnden Welt. Als Beispiel nannte Kullmann die Hulstbäume (Stechpalmen) in Hulsten, die als Wahrzeichen Eregions auch nach dem Verfall des Landes bestand hatten. Zuletzt gäben die bekannten Baumarten den (europäischen) Lesern auch ein Gefühl der Vertrautheit mit der erfundenen Mittelerde. Viele der Pflanzen seien auch in England heimisch und seien so mit Tolkiens Idee seiner Geschichten als Legenden „für England“ verbunden.
Ausblicke
Die Beiträge des Symposiums werden im Laufe des nächsten Jahres im Jahrbuch der Inklings-Gesellschaft veröffentlicht, Mitglieder bekommen es automatisch zugeschickt. Für alle anderen wird der Preis um die 60€ liegen. Wann und wo das nächste Symposium in 2020 stattfinden wird, ist noch unklar.
Kaffee und mysteriöse Pflanzen
In den Pausen zwischen den Slots wurden wir durch ein Kaffee- und Keksbuffet herrlich bewirtet. Dabei konnten angefangenen Diskussion zu Vorträgen vorgesetzt, Terry Prettcharts Scheibenwelt aus Keksen nachgebaut und sogar etwas Naturkunde betrieben werden: Könnt Ihr raten, welche Pflanzen einmal aus diesen Keimlingen werden? (Die Antwort steht ganz unten). Maria Fleischhack war tatsächlich die einzige, die die richtige Antwort wusste. Als Belohnung gab es für sie und alle Vortragenden ein Töpfchen mit Keimlingen. Die zweite, nicht weniger schwierige, Aufgabe bestand dann darin, das Töpfchen wohlbehalten nach Hause zu bekommen.
Credits
Fotos: Maria Zielenbach