Dass sich über Macht und Autorität in Tolkiens Werk rege diskutieren lässt, konnte man beim diesjährigen Tolkien Seminar in Jena eindrücklich erleben. Spannende Fragen nach Machtverhältnissen, Legitimation, Autoritätsfiguren, Herrschaft und Souveränität wurden beantwortet sowie neue Fragen und Forschungsinteressen aufgeworfen. Das wieder sehr internationale Symposium tauchte tief in die Tolkien’sche Gedankenwelt ein.
Hobbits und Brexit?
Allan Turner machte am Freitagnachmittag an der Friedrich-Schiller-Universität den Anfang und referierte über „Power, Position and Legitimation in The Lord of the Rings“. Er war es, der abschließend die These aufstellte, dass die Hobbits in ihrem Desinteresse für die Belange der restlichen Welt strukturelle Entwicklungen wie den Brexit begrüßen würden. Da allein diese provokante These den Rahmen des Artikels sprengt, kommt Allan in der Sondersendung des TolkCast zum Tolkien Seminar noch einmal ausführlich zu Wort.
Die weiteren Vorträge am Freitag
Die Vorträge lassen sich lose in thematische Blöcke einordnen. Die weiteren Beiträge am Freitag richteten ihren Fokus auf politische Strukturen und historische Vorlagen. So verglich Sandra Hartl etwa Aeneas und Aragorn in ihrem Vortrag „Three Types of Political Authority“. Richard Gallant beschäftigte sich mit „The Discourse of Authority in Arda: Wyrd and Providence“ und Jelena Filipovic untersuchte „The Dark Lord as a Political Figure“.Die Beiträge am Samstag
Den Samstag könnte man thematisch in Gender Studies und philosophisch/philologische Fragestellungen einteilen. Dabei hatten die Beiträge, die sich mit Geschlechterthemen beschäftigten, die Oberhand. Vertreten waren „Gendered Power and Authority in Númenor and Westeros“ von Isabel Busch, „Female Power in The Lord of the Rings“ von Sophie Lemburg und „Great Mother Figures and Sovereignty Goddesses: Female Power and Authority in Tolkien’s Legendarium“ von Oleksandra Filonenko. Hamish Williams untersuchte „The Ambivalent Value of Female Power“ und Christine Vogt-Williams referierte zu „Power, Authority and Gender among Literary Dragons“. Szymon Pindur sprach über „The Linguistic Power of Truth and Deception“, Marco Prost analysierte „Trifunctional Sovereignty and the Authority of the King“ und ?ukasz Neubauer präsentierte „Aragorn as Confessor“.Neues von Walking Tree Publishers
Zum Anschluss des zweiten Seminartags stellten Walking Tree Publishers ihre neuen Publikationen vor: Sub-creating Arda: World-building in J.R.R. Tolkien’s Works, its Precursors, and Legacies von Dimitra Fimi und Thomas Honegger, Tolkien and the Classics von Roberto Arduini, Giampaolo Canzonieri und Claudio A. Testi, Music in Tolkien’s Work and Beyond von Julian Eilmann und Friedhelm Schneidewind und “Something Has Gone Crack” New Perspectives on J.R.R.Tolkien in the Great War von Janet Brennan Croft und Annika Röttinger.Die Ehrendoktorwürde der Dwarvish University
Tradition beim Tolkien Seminar ist seit 2007 die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Dwarvish University of the Blue Mountains für herausragende Verdienste an der Tolkien Community. Dieses Jahr ging die Auszeichnung an keinen Geringeren als Allan Turner, für seinen besonderen Einsatz für die Philologie. Er ist bei fast jedem Seminar und in fast jedem Hither Shore Band vertreten und hatte seine Dissertation, Translating Tolkien, über philologische Elemente im Herrn der Ringe verfasst. Thomas Honegger, der Allan Turner die Urkunde überreichte, wurde anschließend von seinen Verlagskollegen Peter Buchs und Andrew Mogelstue überrascht. Denn die hatten entschieden, in diesem Jahr noch eine weitere Ehrendoktorwürde für die “Wiederbelebung toter Studien” zu vergeben – an ihren langjährigen Kollegen Thomas Honegger.
Die Themen am Sonntag
Der Sonntagvormittag hielt vor der Abreise noch zwei Vorträge für das sehr interessierte Publikum bereit: „Legitimation der Herrscher Gondors“ von Andreas Zeilinger und „Adel im Auenland“ von Martin Sternberg. Johann Thun, der über „Anarchie in Mittelerde“ hatte referieren wollen, fiel leider krankheitsbedingt aus.
Es war wieder ein kurzweiliges (und auch viel zu kurzes) Seminar zu einem sehr spannenden und vielschichtigen Thema. Der Zeitplan wurde allzeit eingehalten, was bei dem großen Gesprächsbedarf beachtenswert ist, und die Uni Jena hat die Deutsche Tolkien Gesellschaft wieder sehr gastfreundlich empfangen.
Wir sind schon jetzt gespannt auf das Symposium im nächsten Jahr. In der zweiten Oktoberhälfte 2020 geht es an die Universität Augsburg zu dem komplexen Thema “Tolkien und Politik”!
Förderung des akademischen Nachwuchses
Die Deutsche Tolkien Gesellschaft vergibt jährlich zwei Teilnahme-Stipendien für Tolkien-Nachwuchsforscher für das Tolkien Seminar. Bewerben können sich Studierende, Promovierende, PostDocs oder Beitragende, die bisher in der akademischen Tolkien-Forschung nur mit maximal einer Veröffentlichung in Erscheinung getreten sind, im Alter von bis zu 35 Jahren. In diesem Jahr waren es drei Stipendiaten. Erstmals in 2019 fand im Rahmen des Tolkien Seminars ein Post-Graduate Forum statt, in dem sich Wissenschaftler austauschen können, die ihre Dissertation über J.R.R. Tolkien schreiben oder verfassen möchten. Bei dem Post-Grad Kolloquium handelt es sich, wie beim Tolkien Seminar, um eine Kooperation von Walking Tree Publishers und der DTG.
Die zwergischen „Doktoranden“
Die Ehrendoktorwürde der Dwarvish University of the Blue Mountains wurde bislang vergeben an:
- Peter Buchs (2007)
- Anke Eißmann (2008)
- Michael Devaux (2009)
- Friedhelm Schneidewind (2010)
- Thomas Fornet-Ponse (2011)
- Frank Weinreich (2012)
- René van Rossenberg (2013)
- Julian Eilmann (2013)
- Guglielmo Spirito (2014)
- Renée Vink (2015)
- Ross Smith (2016)
- Lukasz Neubauer (2017)
- Andrew Moglestue (2017)
- Claudio A. Testi (2018)
- Allan Turner (2019)
- Thomas Honegger (2019)
Credits
Titelfoto und Fotos im Text: Tobias M. Eckrich