Tolkien Seminar: Landschaften sind schön…

In schöner Regelmäßigkeit veranstaltet die Friedrich-Schiller-Universität Jena in Zusammenarbeit mit der DTG und Walking Tree Publishers das Tolkien Seminar und so auch im Jahr 2014. Am 09. Mai 2014 begrüßten uns zunächst Prof. Dr. Thomas Honegger von der FSU und Prof. Dr. Dr. Thomas Fornet-Ponse von der DTG, um uns auf die kommenden Vorträge zum Thema Natur und Landschaft in Tolkiens Werk einzustimmen. Schon zu Beginn des zwölften Tolkien Seminars, und gleichzeitig des sechsten Seminars in Jena wurde deutlich, dass diese DTG-Veranstaltung im Laufe der Zeit zu der wichtigsten jährlichen Tolkien-Konferenz in Europa geworden ist. Es sind sowohl mehr englische als deutsche Vorträge im Programm als auch mehr ausländische als deutsche Vortragende vor Ort. So war der Hörsaal zu Veranstaltungsbeginn auch gleich mit etwa 70 Teilnehmern gut gefüllt.

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Thomas Fornet-Ponse bei der Überreichung des Ehrendoktortitels der DUBM an Guglielmo Spirito

Das Seminar begann mit Allan Turners kurzweiligem Vortrag zu “Tolkien’s Living Landscape”, der sich vornehmlich mit der Sprache der Landschaftsbeschreibungen befasste. Der Titel des Vortrags hätte auch lauten können: Von wandernden Schultern und rennenden Bächen im Herrn der Ringe. An so vielen Stellen konnte Alan Turner Beschreibungen von menschlichen Körperteilen und Bewegungen in der Landschaftsbeschreibung bei Tolkien entdecken, dass das reine Aufzählen allein die Zeit gesprengt hätte. Interessant waren auch die Unterschiede zwischen böser Landschaft wie Mordor und guter Landschaft wie Gondor.

Es folgte direkt im Anschluss Jonathan Nauman mit “Old Forest and Barrrow Downs: A Natural Prelude to LotR”. Auch bei dem Fokus auf den sehr kleinen Bereich des alten Walds und auf die Hügelgräberhöhen fielen einige Besonderheiten in der Landschaftsbeschreibung auf. Das fällt um so schwerer, als eben diese Passage in der Verfilmung von Peter Jackson fehlt.

Mit diesen beiden ersten Vorträgen wurden wir zur weiteren Diskussion zum (ersten) Konferenzabendessen gebeten. Dieses wurde natürlich ausgiebig genutzt und schon am ersten Abend zeichnete sich ab, dass die Landschaften in Tolkiens Werken eine wichtige Rollen spielen (könnten).

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Julian Eilmann bei seinem Vortrag

Den zweiten Konferenztag eröffnete Bruder Guglielmo Spirito mit seinem Silmarillion-Vortrag “Melian’s Girdle: Boundaries and Hidden Thresholds in Arda”. Er beschäftigte sich mit Schutzgürteln um bestimmte “Räume”, wie etwa Thingols Reich, vergleichbar mit einem eingezäunten Garten.

Es schloss sich der Vortrag von Annie Birks an: “Sympathetic Background in Tolkien’s Prose”, der sich vor allem mit dem “sym-pathischen”, von “Pathos”, in Tolkiens Prosa beschäftigte. Am Beispiel verschiedener Textstellen konnte verdeutlicht werden, dass die Landschaftsbeschreibungen Tolkiens von Pathos getragen werden.

Einen Wechsel des Blickwinkels erzielte dann Julian Eilmann mit seinem Vortrag “Romantische Landschaften in J.R.R. Tolkiens Werk”. In diesem konnte er viele  romantische Elemente an verschiedenen Stellen in den Werken wiederfinden. Auch der Vergleich von Gemälden, etwa Caspar David Friedrichs’ mit denen zeitgenössischer Tolkien-Künstler, verdeutlichte dies.

Nach einer zur Stärkung genutzten Mittagspause brachte Thomas Kullmann “Landscape as Metaphor in LotR” in den Diskurs ein. Metaphorische Elemente ließen sich, wie schon zuvor die romantischen, an verschiedensten Stellen finden. So ist die Landschaftsbeschreibung eben nicht einfach ein tolles Beiwerk, um der Welt ein Gesicht zu geben. Dies zeichnete sich immer deutlicher ab.

Es folgte Tatjana Silec mit ihrem Vortrag “What Tolkien’s Landscapes Owe to Medieval Storytelling”, der den Zuhörern einmal mehr den mediävistischen Aspekt in Tolkiens Werken näher brachte. Da Tolkien Mediävist war, ist dies – für jeden Nicht-Mediävisten – eine erleuchtende Perspektive, um seine Werke zu verstehen. Und dieser Vortrag war da keine Ausnahme.

Martin Simonson schloss den Tag mit “Mountains and Memory in Middle-earth”. Berge, wie die Nebelberge, sind schon im Hobbit ein wichtiges Merkmal in der Landschaft Mittelerdes. Der Caradhras macht die Unterquerung erst nötig und dann waren da noch die Bergriesen…

Anschließend folgte die übliche Vorstellung neuer Sekundärliteratur der DTG und der Walking Tree Publishers mit dem neuen Hither Shore 10, Musik in Mittelerde, In the Nameless Wood, and O What a Tangled Web. Außerdem verlieh die Dwarvish University of the Blue Mountains in guter Tradition wieder ihre Ehrendoktorwürdel für Personen, die sich um die Tolkienforschung und -verbreitung verdient gemacht haben. In diesem Jahr wurde der Titel im Bereich Theologie verliehen. Und wer passt da nicht besser als ein Pater und Professor aus Assisi? Guglielmo Spirito nahm den Preis von seinem Laudator Thomas Fornet-Ponse dankend entgegen, obwohl er augenzwinkernd meinte, mit seinen nun zwei Titeln immer noch keine Konkurrenz für dessen drei Titel zu sein.

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Gut gefüllter Hörsaal an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena

In diesem Jahr wurde mit einer Festschrift einem weiteren verdienten Tolkien-Forscher gedankt. Schon in seiner Einleitung am Freitag bedauerte Thomas Honegger, dass Alan Turner Jena verlassen würde, um in den Ruhestand zu gehen. Dirk Vanderberke stellte die Festschrift “From Peterborough to Faery” vor und überraschte damit nicht nur seinen nichts ahnenden Kollegen Alan Turner. Dieser bedankte sich sichtlich gerührt für die Festschrift, die einem einfachen Dozenten nicht zustünde, wie er sagte. Anschließend stießen wir noch gemeinsam mit einem Sekt an.

Um uns nach dem Feiern zu stärken, stand am Abend das zweite Konferenzessen an. Auch dieses wurde wieder genutzt, um ausgiebig die Eindrücke der Vorträge zu vertiefen und zu diskutieren. Landschaft als “aktiver Charakter” in Tolkiens Werken war eine Formel, die im Laufe des Abends häufiger genutzt wurde. Und eben das Fehlen dieser aktiven Rolle in den aktuellen Peter-Jackson-Verfilmungen wurde immer wieder bemängelt.

Michaël Devaux durfte den Sonntagmorgen beginnen und referierte über “The Dead Marshes and oikoumene: the limits of a landscape in Middle-earth”.

Das Seminar beendete schließlich Martin Sternberg mit seinem Vortrag “Angang und Aufenthalt: Struktur von Weg und Ziel bei Tolkien”.

In der Abschlussdiskussion wurde deutlich, dass die Rolle der Landschaft bei Tolkien wirklich entscheidend für die Erzählungen selbst ist. Hier liegt ein großer Unterschied zu vielen anderen Fantasy-Autoren, bei denen Landschaft nur Beiwerk oder Kulisse ist. Die Teilnehmer waren sich schnell einig, dass dieses Seminar nur der Anfang der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Landschaft in Tolkiens Werken sein konnte. Immer wieder stießen die Teilnehmer in den Diskussionen Türen zu weiteren Feldern auf, die es gilt zu erkunden. Julian Eilmann machte dann noch darauf aufmerksam, dass das diesjährige Thema “Natur und Landschaft in Tolkiens Werk” lautete, sich aber kein Vortragender mit der Natur als den Pflanzen, aber insbesondere den Tieren beschäftigt hat. Auch hier bleibt also weiterhin Bedarf in einem zukünftigen Seminar für Klärung zu sorgen.

Einmal mehr hat das Tolkien Seminar für anregende, interessante Vorträge und Diskussionen gesorgt. Bei allem wissenschaftlichem Ernst kamen aber auch der Spaß und die Freude an Tolkiens Werken und darum herum nicht zu kurz. Und im nächsten Jahr gibt es dann alles auch zum Nachlesen.

Die Vorträge der Konferenz werden 2015 im akademischen Jahrbuch der DTG, dem Hither Shore, erscheinen. Das Thema für das nächste Tolkien Seminar wird auf dem Tolkien Thing, 18.-20. Juli 2014, festgelegt. Veranstaltungsort für die Konferenz 2015 ist aller Voraussicht nach die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen.

Bilder: Carola Oberbeck

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