Hither Shore
Interdisciplinary Journal
on Modern Fantasy Literature
Jahrbuch der
Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V. (DTG)
Tolkiens Einfluss auf die Fantasy – oft behauptet, selten untersucht. Zweifelsfrei gehört Der Herr der Ringe zu den wichtigsten Quellen zahlreicher zentraler Werke der Fantasy-Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts und wird oft als Referenzwerk verwendet, auch wenn es weder zuerst noch allein die Entwicklung des Genres Fantasy beeinflusst hat. Die Aufnahmen von und Anspielungen auf Schlüsselelemente und -charaktere des Herrn der Ringe – Karten, magische Ringe/Artefakte, Elben, Zwerge, Zauberer etc. – sind bei vielen späteren Autoren und Künstlern unübersehbar; lange Zeit konnte man den Eindruck haben, Fantasy könne nur entweder in der auf Tolkien zurückgehenden Tradition oder gegen diese geschrieben werden. Jüngere Autoren scheinen indes einen etwas freieren Umgang wählen zu können – gleichwohl sie ihre »Schuld« Tolkien gegenüber anerkennen –, was auch mit einem allgemeinen Trend zur Genreüberschreitung zusammenhängen dürfte. Aber lässt sich der Einfluss Tolkiens auf das Genre Fantasy bzw. auf einzelne Autoren inhaltlich konkreter bestimmen? Oder besteht er vor allem darin, das Interesse eines größeren Publikums an Fantasy-Literatur geweckt und damit anderen Autoren Türen geöffnet zu haben? Mit diesen Fragen – von einer theoretischen Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, literarischen Einfluss nachzuweisen, über verschiedene Studien zu einzelnen Autoren und Autorinnen bis hin zu Betrachtungen der Funktionsweisen des Buchmarktes oder der Entwicklung von Autoren zu mehr Selbstständigkeit – beschäftigte sich das neunte Tolkien Seminar der Deutschen Tolkien Gesellschaft vom 27. bis 29. April 2012 am bewährten Seminarort Jena. Wie die hier veröffentlichten Beiträge zeigen, kann tatsächlich von einem tiefgreifenden Einfluss Tolkiens auf das Genre Fantasy gesprochen werden, wenngleich sich dieser nicht immer eindeutig nachweisen lässt. Deutlich wurden vor allem die unterschiedlichen Bezüge, in denen sich dieser Einfluss bemerkbar macht: von konkreten inhaltlichen Übernahmen durch manche Autoren über die Bedeutung der Popularität Tolkiens bis hin zu seinen theoretischen Überlegungen über Faery bzw. Fantasy. Zusätzlich zu den verschiedenen Beiträgen zur Seminarthematik und den ausführlichen Rezensionen aktueller Forschungsliteratur enthält dieser Band noch eine Besonderheit: die englische Übersetzung zweier schwedischer Interviews mit John R.R. Tolkien, die ursprünglich 1961 zur schwedischen Übersetzung des Herrn der Ringe erschienen waren. Abschließend sei für den Erfolg des Seminars herzlich Prof. Dr. Thomas Honegger und seinem Team von der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie dem Verlag Walking Tree Publishers für die freundliche Unterstützung gedankt. Ebenfalls danke ich allen Beitragenden, den Mitgliedern des Board of Editors, Marie-Noëlle Biemer für die Übersetzungen und schließlich Susanne A. Rayermann sowie Kathrin Bondzio im Scriptorium Oxoniae.
Thomas Fornet-Ponse