Hither Shore
Interdisciplinary Journal
on Modern Fantasy Literature
Jahrbuch der
Deutschen Tolkien Gesellschaft e.V. (DTG)
»Das liegt an Corona!« Wie so vieles andere wurde auch das ursprünglich für den Oktober 2020 in Augsburg geplante Tolkien Seminar ein Opfer der Covid19-Pandemie. Nach intensiver Beratung erschien es uns im Board of Editors die beste Lösung, das gewählte Thema »Tolkien und Politik« lieber auf das Folgejahr zu verschieben als eine reine Online-Veranstaltung zu versuchen – bliebe bei einer solchen doch der von vielen Teilnehmenden so geschätzte persönliche Austausch auf der Strecke. Da Hither Shore jedoch als Jahrbuch konzipiert ist, waren wir in der Verpflichtung, dennoch einen Band herauszugeben. Insofern haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und nach einem neuen passenden Thema gesucht, für das sich in einem solchen »Zwischenjahr« eine Metaperspektive anbot. Parallel dazu erhielt Thomas Honegger über Walking Tree Publishers Kenntnis von einem Publikationsvorhaben von ursprünglich in Augsburg ansässigen Kolleg:innen um Monika Kirner-Ludwig. Die dafür geplanten Beiträge passten angesichts ihrer Interdisziplinarität gut zu Hither Shore und ihre thematische Bandbreite gut zu unseren Überlegungen einer Metaperspektive, sodass sich schließlich das Thema »Tolkienforschung in den DACH-Ländern« herauskristallisierte.
Das Und in der Tat: Wenngleich der Rücklauf an Beiträgen auf den Call for Papers im Endeffekt gar nicht einmal so hoch war, gibt die Bandbreite der verschiedenen Beiträge doch einen guten Einblick in bestimmte Besonderheiten der Tolkienforschung in deutschsprachigen Ländern.
Den Beginn machen zwei Beiträge, die eher die besagte Metaperspektive einnehmen: So analysiert Tobias Eckrich, der Erste Vorsitzende der Deutschen Tolkien Gesellschaft, wie sich das Verhältnis der bei den Vorträgen des Seminars der DTG und der in Hither Shore publizierten Beiträge verwendeten Sprache deutlich zugunsten des Englischen verschoben hat. Ein großer Teil dieser Entwicklung erklärt sich durch die im Laufe der Zeit stark gewachsene Internationalität – bei den ersten beiden Seminaren stammten keine Beiträge von Forscher:innen aus dem nicht-deutschsprachigen Raum, während es bei den letzten Seminaren um die Hälfte war. So sehr dies auf der einen Seite die Rezeptionsmöglichkeit in den deutschsprachigen Ländern etwas einschränkt, so sehr erweitert es auf der anderen Seite die Möglichkeit für Forscher:innen aus dem deutschsprachigen Raum, mit ihrer Forschung wahrgenommen zu werden. Auch dies ist neben den von Eckrich diskutierten Umständen ein gewichtiger Grund insbesondere für Nachwuchskräfte, auf Englisch zu publizieren, selbst wenn dies nicht ihre Muttersprache ist. Zugleich ist es uns als Herausgeber:innen auch im Sinne der Wissenschaftskommunikation ein Anliegen, nicht nur in universitären Kreisen wahrgenommen zu werden – was indes auch dadurch gegeben ist, dass Hither Shore von vielen DTG-Mitgliedern als Jahrbuch bezogen wird.
Wie Thomas Honegger in seinen Ausführungen über die Geschichte, Hintergründe und Perspektiven von Walking Tree Publishers, dem bedeutendsten Verlag für tolkienspezifische Publikationen im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus, deutlich macht, spielte die Perspektive der internationalen Rezeption auch für diesen Verlag eine entscheidende Rolle. Denn auf ihr gründet die Entscheidung für Englisch als einzige Publikationssprache – und zugleich erweist WTP der internationalen Tolkienforschung einen wichtigen Dienst im Sinne der Vernetzung. Denn es werden nicht nur Bücher und Sammelbände aus deutschsprachigen oder englischsprachigen Ländern verantwortet. Vielmehr erhalten bei WTP auch Initiativen aus Polen oder Italien ein Forum und können mit ihrem spezifischen wissenschaftlichen Stil wahrgenommen und rezipiert werden. Ob und inwiefern diese Brücken- und Vermittlerfunktion eine Besonderheit deutschsprachiger Tolkienforschung ist, kann im Rahmen dieses Vorworts nicht weiter diskutiert werden. Zumindest aber bietet das Tolkien Seminar der DTG gerade seit der Kooperation mit WTP eine jährliche Basis für einen solchen Austausch und schafft Begegnungsmöglichkeiten.
Weniger allgemein auf die Tolkienforschung in den DACH-Ländern bezogen, sondern eher konkreter Ausdruck dieser sind die nachfolgenden Beiträge, die sich den bereits genannten zwei Entstehungskontexten – das genannte Publikationsvorhaben von Monika Kirner-Ludwig und Reaktionen auf den Call for Papers – verdanken. So haben die vier Beiträge von Robert Bauernfeind, Monika Kirner-Ludwig, Kerstin Majewski und Kilian Sprau ihren Ursprung in einem Nachfolgeprojekt zu mehreren Ringvorlesungen zu Tolkien, die 2014-2016 an der Universität Augsburg veranstaltet und teilweise in Binding Them All: Interdisciplinary Perspectives on JRR Tolkien and His Works bei Walking Tree Publishers (2017) publiziert wurden, nämlich den seit 2018 stattfindenden Tolkien-Tagen in Oberlech am Arlberg. Sie sind ein Beispiel für Veranstaltungen mit literarischem und akademischem Anspruch, die sich an ein breiteres bzw. vielfältigeres Publikum richten. In der Zusammenschau mit den Artikeln von Sophie Lemburg, Maria Zielenbach und Friedhelm Schneidewind zeigt sich eine für den deutschsprachigen Raum durchaus repräsentative thematische Schwerpunktsetzung der Forschung auf sprach- und literaturwissenschaftlichen Ansätzen. Philosophie und Theologie – um den Vergleich mit Italien zu bemühen – sind hingegen deutlich seltener vertreten.
Ergänzt werden die Beiträge zum Thema »Tolkienforschung in DACH-Ländern« neben den üblichen Rezensionen um drei zusätzliche Artikel zum Verständnis von Tom Bombadil, zu Tolkiens Kunst und den einschlägigen Ausstellungen sowie eine Untersuchung von Entscheidungssituationen in der Moria-Sequenz.
Abschließend sei an dieser Stelle insbesondere Dr. Oliver Bidlo und Dr. Hanna Kröger-Bidlo vom Oldib Verlag gedankt – nicht nur für die Aufnahme in ihr Verlagsprogramm, sondern auch für die zuverlässige und kompetente Zusammenarbeit. Dank dieser kann nun dieser siebzehnte Hither Shore in gewohnter Qualität erscheinen.