Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim – Die Chronik von Daniel Falconer ist am 15. März 2025 im Klett-Cotta Verlag erschienen. Die 256-Seiten-Publikation zum gleichnamigen Film umfasst die gesamte Entstehungsgeschichte des Anime-Films aus der Sicht der Filmschaffenden. Helmut W. Pesch hat das Buch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
Was ist drin?
Die Filmchronik ist in neun Kapitel unterteilt. Jedes Kapitel entspricht einem Handlungsort und führt mit einem großformatigen Film-Bild und der Zusammenfassung der Handlung in die jeweilige Szene ein. Protagonist*innen, Charaktere, Geschöpfe, Gebäude, Landschaften, Hintergrundbilder, Waffen und Gegenstände, die in dieser Szene eine Rolle spielen, bilden die Unterpunkte des Kapitels. Hier kommen die Künstler*innen und Filmemacher*innen selbst zu Wort. Zu jedem Punkt schreiben verschiedene Mitwirkende über unterschiedliche Aspekte aus ihrer Sicht. Der Schwerpunkt des Buchs, das durchgängig farbig gestaltet ist, liegt auf dem Bildmaterial. Mit über 1.000 Skizzen, Zeichnungen, Charakterstudien, Umgebungsentwürfen und Storyboards, die teilweise noch nicht veröffentlicht wurden, wird veranschaulicht, was die Mitwirkenden beschrieben haben.
Folgende 24 Personen kommen zu Wort:
- Regisseur Kenji Kamiyama
- Die Produzent*innen Philippa Boyens, Joseph Chou und Jason DeMarco
- Die Drehbuchautorinnen Phoebe Gittins und Arty Papageorgiou
- Mitwirkende von Sola Entertainment:
- Original Character Designer Stato
- Conceptual Designer Alan Lee und John Howe
- Additional Concept Designer Daniel Falconer
- Character Designer & Key Animation Supervisor Miyako Takasu
- Prop Designer Kenji Masuda
- In-Between Animation Supervisor Aisha Ari Hagiwara
- Colour Designer Osamu Mikasa
- Background Art Supervisors Yasuhiro Yamane und Tamiko Kanamori
- CGI & Background Supervisor Shunsuke Watanabe
- Set Design & Image Board Keiichiro Shimizu
- Mitwirkende von Wētā Workshop:
- Design Studio Art Director & Senior Concept Artist Adam Middleton
- Senior Concept Artists Gus Hunter, Chris Guise und Adam Anderson
- Concept Artist Iona Brinch
- Junior Concept Artist Joshua Damian
Inhalt
Buchkapitel
Kapitel 1: Hochland der Westfold
Das erste Kapitel beginnt mit einer handgezeichneten Storyboard-Skizze, anhand derer Kenji Kamiyama seine Arbeitsweise erklärt. Weiter werden die Schwierigkeiten beschrieben, die bei der Gestaltung von Hintergründen für einen Anime-Film auftreten: insbesondere, wenn die Geografie, die Tolkien in seinen Schriften sehr detailliert beschrieben hat und die schon in Realfilmen dargestellt wurde, erkennbar sein soll. Weiter werden in diesem Kapitel die großen Adler, Héra, Helms Tochter und Ashere, Héras Pferd, vorgestellt.
Kapitel 2: Edoras
Das umfangreiche Kapitel beginnt mit der ausführlichen Beschreibung von Edoras. Die beiden Art Directors Adam Middleton und Tamiko Kanamori sprechen über die Herausforderung, Edoras so zu rekonstruieren, wie es fast zwei Jahrhunderte vor der Darstellung in der Filmtrilogie ausgesehen haben könnte. Näher beschrieben werden das Stadttor, einzelne Gebäude, der Marstall und natürlich Meduseld, die goldene Halle. Auch gibt es einen Einblick in die Heraldik von Rohan. Als Heldin des Films wird Héra in verschiedenen Situationen vorgestellt. Hier sehen wir sie als Prinzessin von Rohan. In diesem Kapitel werden auch die anderen Hauptcharaktere vorgestellt: König Helm, seine Söhne Háma und Haleth, sein Neffe Fréaláf Hildeson, die Hofdame Olwyn, der Knappe Lief, der Herr der Westmark Freca und sein Sohn Wulf, Frecas Männer und die Herren von Rohan.
Kapitel 3: Die große Weststraße
Dieses Kapitel führt in die Vergangenheit und die Umgebung von Edoras. In goldenen Farben wird ein einschneidendes Erlebnis in der Kindheit von Héra und Wulf dargestellt und näher erläutert. Dann folgt die Beschreibung der großen Weststraße, die als Kulisse für Héras Verfolgungsjagd mit einem tollwütigen Mûmak dient. Héra wird als Reiterin, Olwyn als Schildmaid und Lief als Héras Schildknappe beschrieben. Pferde spielen bei den Rohirrim eine wichtige Rolle. Die Leserschaft erfährt viel über die Darstellung von Pferden in Anime-Filmen im Allgemeinen und im Besonderen über die Entwicklung für dieses Projekt. In diesem Kapitel kommen noch die Crebain von Dunland, südländische Söldner, der Wald Weald se Witega, der Wächter im Wald und der Dunländer General Tarrg vor.
Kapitel 4: Isengard
Isengard ist ein weiterer Schauplatz, der Einblicke in die Entwicklung eines Ortes gibt, der schon aus der Zukunft bekannt ist. Man kann lesen und sehen, wie die Filmemacher*innen sich einen bekannten Ort vor dem Ringkrieg vorstellen und ihn anschließend entwickeln. Adam Middleton, Art Director bei Wētā Workshop: „Isengard ist zu dieser Zeit in einem desolaten Zustand. Niemand kümmert sich um das Gelände, deshalb war es mir wichtig, dass sein Aussehen in starkem Kontrast zu dem gepflegten Ort mit Kieswegen, Rabatten, Rasenflächen und Bäumen steht, den wir in ‚Die Gefährten’ gesehen haben.“ Das Kapitel zeigt die Entwicklung der Gestaltung des Geländes, der Mauer und des Tors von Isengard, des Lagers der wilden Dunländer und des Wachturms, in dem Wulf Héra gefangen hält. Auch wird Héras Rettung beschrieben.
Kapitel 5: Die Schlacht um Edoras
Dieses umfangreiche Kapitel beschäftigt sich auf 56 Seiten mit der Schlacht um Edoras. Eine Herausforderung für die Filmemacher*innen. Es ist zu lesen, wie viele Details bei der Umsetzung der Schlacht berücksichtigt werden mussten. Produzent Jason DeMarco: „Ein Teil des schieren Ausmaßes der Animation war darauf zurückzuführen, dass alles in Bewegung war: Kämpfe, Rennen, Schreie, Zusammenstöße, fließendes Blut; Chaos überall.“ Ganze 20 Seiten sind den Rohirrim gewidmet, die zeigen, wie das Rüstzeug und die Waffen entwickelt wurden. Für jeden der Anführer der Rohirrim gibt es eine eigene Farbpalette, die sich in Rüstung und Kleidung der Gefolgschaft widerspiegelt. Auch die Angreifer werden detailgetreu konzipiert, und so gibt es viele Zeichnungen von den Dunländern, den Wilden Menschen, den Söldnern aus dem Süden und ihren Waffen. Die Designer*innen haben sich zu jedem Volk Gedanken gemacht, welche wohl die passenden Waffen sein könnten. Viele Ideen gibt es hier zu sehen, von der Skizze bis zur Gestaltung in Anime-Manier. Allein vier Seiten sind mit Varianten von gepanzerten Mûmakil bebildert. Die Ereignisse, die mit der Schlacht einhergehen, sind ein weiterer Teil in diesem Kapitel: Thornes Verrat, Haleths Tod, Edoras in Flammen, Flucht aus Edoras, In den Trümmern von Meduseld und Die Krone von Rohan.
Kapitel 6: Die Hornburg
Ein weiterer Hauptschauplatz des Films ist die Hornburg. Die Geschehnisse in dieser Szene werden der Hornburg ihren späteren Namen geben: Helms Klamm. Die Bekanntheit der Schlacht um Helms Klamm im zweiten Teil der Trilogie „Die zwei Türme“ brachte Vor- und Nachteile mit sich. Laut Daniel Falconer „war es eine spannende Herausforderung, eine frühere Version dieses ikonischen Ortes zu entwerfen, ohne dabei den durch das Buch und die Filme vorgegebenen Rahmen zu sprengen“. Viele Beschreibungen und Bilder aus dem Anime-Film und im Vergleich dazu Standbilder aus der Trilogie lassen einen in die Szenerie eintauchen. Auch das Innere der Hornburg wird detailreich beschrieben und bebildert: die Kaserne, der Lagerraum, Gänge, Requisiten, Helms Gemach, der Geheimgang und die Höhlen der Hornburg. Personenbeschreibungen gibt es von der Besatzung der Hornburg und der alten Pennicruik, der Hüterin der Hallen.
Kapitel 7: Der Geist von Helm Hammerhand
Dieses Kapitel behandelt den letzten Kampf von Helm Hammerhand. Es wird dargestellt, wie die erbitterte Belagerung auf beiden Seiten ihren Tribut fordert, und die letzten Tage von König Helm werden beschrieben. Mit einem Schneetroll und den Orks Shank und Wrot fließen noch andere Ideen der kreativen Köpfe ein. Arty Papageorgiou, Drehbuchautorin: „Wir sind in Mittelerde! Ich will ein paar Orks sehen!“
Die Flucht von Helm und Héra leitet die Legende von Helm Hammerhand ein, in der er vor dem Tor der Hornburg zu Eis erstarrt. Abgeschlossen wird das Kapitel mit Helms Grablegung.
Kapitel 8: Die Belagerung
Dieses Kapitel umspannt die Beschreibung der Festung von Dunharg, des Thronsaals der Hornburg, der Klüfte des Thrihyrne (drei zerklüftete eisige Gipfel), Héras Aufstieg zum Adlerhorst, des Turms der Hornburg und des letzten Kampfes. Es gibt viel Bildmaterial von Belagerungsgeräten, insbesondere von dem Belagerungsturm. Dieser entwickelt sich zu einem wichtigen Element im Kampfgeschehen. Er wird wichtig, um die wachsende Angst vor Wulf visuell darzustellen, weil er hilft, das Ende des Films von dem in „Die zwei Türme“ unterscheidbar zu machen und weil er als Bühne für die entscheidende Konfrontation zwischen Héra und Wulf dient: dem Höhepunkt der Geschichte mit Héra als Todesbraut. „Ihr wolltet eine Braut, also seht euch vor, ihr bekommt eine Braut des Tooooodes!“, sagt die Drehbuchautorin Phoebe Gittins. Nach dem Kampf zwischen Héra und Wulf erscheinen Fréaláf und seine Männer, die Wulfs Heer in die Flucht schlagen, weil sie sein Kommen als die Wiederkehr von Helm Hammerhands Geist deuten.
Kapitel 9: Die Vorboten des Frühlings
Dieses Kapitel fungiert als eine Brücke zur Herr-der-Ringe-Trilogie. Es sind Bilder von Fréaláfs Krönung zu sehen, und im Hintergrund beginnt schon der Neuaufbau von Edoras, wie es am Ende des Dritten Zeitalters aussehen wird. Auch wird Saruman der Weiße eingeführt, und Héra, die auf die Königskrone verzichtet, macht sich auf die Suche nach einem Zauberer.
Fazit
Das Buch Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim – Die Chronik ist ein farbliches Feuerwerk und meiner Meinung nach empfehlenswert für Menschen, die Zeichnungen mögen, für Anime-Fans oder Sammler von Tolkien-Büchern. Auch für Menschen, die sich für Filmkunst interessieren, kann das Buch interessant sein, denn hier bietet es hochinteressante Einblicke, insbesondere in die Vorgehensweise bei der Produktion eines Anime-Films. Als Mensch mit Begeisterung für die Umsetzung einer Idee in ein künstlerisches Werk hatte ich viel Spaß an diesem Buch. Besonders informativ fand ich den Weg von der ersten Zeichnung bis zur Gestaltung im Anime-Stil und zu erfahren, welche Gedanken sich die Künstler*innen und Filmemacher*innen gemacht haben.
Credits:
Fotos: Tobias M. Eckrich