Smaugs Einöde: Filmzitat gefällig? Nein, danke!

Peter Jackson zitiert. Er macht keine Anspielungen, er zitiert direkt, in Anführungszeichen. Tolkien? Manchmal, aber hauptsächlich sich selbst.

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Martin Freemans Hobbit überzeugt mit kleinen Gesten

Bree. Es ist düster, die Kamera fährt an der Hauptstraße entlang. Von links stolpert Peter Jackson mit einer Möhre ins Bild und taumelt rechts wieder heraus. Legolas kämpft gegen Orks; surft dabei eine Böschung runter. Und da ist sie zum dritten Mal, die Szene in Moria/Erebor, in der die Guten vom Bösen verfolgt werden, dabei die gleichen Stunts drehen wie zuvor – über Stock und über Stein und keiner bricht sich dabei ein Bein. Was in „Die Gefährten“ wenigstens noch neu war, begann in „Eine unerwartete Reise“ zu langweilen, mittlerweile nerven die meisten Action-Sequenzen einfach nur noch. Etwas innovativer, dafür aber noch unglaubwürdiger als die unterirdische Verfolgung, ist die Flucht der Zwerge aus Thranduils Keller.

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Schlägt dem Fass den Boden aus …

In einer Fantasy-Welt ist ja eigentlich alles möglich. Warum sollte man sich also an die Regeln der Physik halten? In Mittelerde gehen offene Fässer mit Zwergen drin eben einfach nicht unter. Die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit wird hierbei allerdings noch von ziemlich schlechter Animationsarbeit beeinträchtigt. Gut, wenigstens wird diesmal mal ein Zwerg verletzt. Den Valar sei Dank. Sonst sind die Kinozuschauer, die das Buch nicht gelesen haben am Ende ja total vor den Kopf gestoßen, wenn von den scheinbar unverwundbaren Zwergen doch nicht alle übrig bleiben. Obwohl, an die Romanvorlage muss man sich ja nicht unbedingt halten.

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Evangeline Lilly als Tauriel

Keine Angst. Ich bin nicht einer jener Puristen, die sich über jede kleine Abweichung vom Original aufregen. Buch ist Buch und Filmadaption ist Adaption, also auch Veränderung. Ich mag die taffe Tauriel und ihre Geschichte, und bin begeistert, dass die Geschehnisse in Dol Guldur aus den Anhängen vor die Kamera gezogen wurden. Spannend finde ich auch die Idee, dass Bilbo erst durch das Aufsetzen des Rings die Spinnen im Düsterwald verstehen kann. Leider wurde das Motiv im Zusammenhang mit der Drossel am Erebor nicht wieder aufgenommen. Beorns Tiere bleiben übrigens auch stumm – und die Rhosgobel Rennkaninchen sieht man diesmal glücklicherweise nur ganz kurz. Von Legolas neuem Erzfeind bin ich nicht ganz begeistert (ich sehe schon die Szene im letzten Teil vor mir: Thorin wird von Bolg verwundet, just bevor Legolas den Ork tötet; langer dramatischer Blickwechsel zwischen dem sterbenden Thorin und Legolas ; und Cut), aber ansonsten habe ich wenig Probleme mit den Änderungen, außer einer größeren feuerspeienden Ausnahme auf die ich gleich noch eingehen werde.

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Stephen Fry als Meister von Seestadt bisher zu kurz in Szene gesetzt

Der zweite Teil ist wie zu erwarten um einiges düsterer als der erste, sowohl optisch als auch thematisch. Das zentrale Thema der Gier der Zwerge wird wieder gut in Szene gesetzt, diesmal unterstützt durch den Auftritt des Meisters von Seestadt – ein Ort mit sozialen Unruhen, am Rande der Revolution, in passendem Renaissance-Stil dargestellt. Stephen Fry bleibt mir ein bisschen blass, dem Charakter hätte man mehr Zeit einräumen können. Das gleiche gilt übrigens für Beorn, dessen Cameo noch kürzer ist. Dafür ist Bard ein echtes Highlight. Eine bewegende Szene ist der Eintritt der Zwerge in den Erebor. Hier wird wieder das Motiv der Heimat bespielt, welches im ersten Teil einer der Hauptbeweggründe ist, warum Bilbo den Zwergen überhaupt hilft.

Die Szenerie ist wieder CGI pur, vielleicht durch die gedämpften Farben diesmal ein bisschen weniger auffällig als im ersten Teil. Überhaupt nicht gelungen ist die Darstellung des geschmolzenen Goldes, dafür ist Smaug umso beeindruckender. Das liegt hauptsächlich an der Stimm-Performance von Benedict Cumberbatch und ich kann nur jeden bemitleiden, der den Film nicht im Original schauen kann. Die Stimme garantiert Gänsehaut. Während der erste Austausch zwischen Bilbo (sichtbar!) und Smaug einfach nur grandios ist – hervorzuheben mal wieder Martin Freemans fantastisches schauspielerisches Können, oft ausgedrückt durch kleinste Gesten – gefällt mir die Änderung von Smaugs Motivation den Erebor zu verlassen nicht besonders. Er lässt diverse Chancen verstreichen, sich der Zwerge und Bilbos zu entledigen und verlässt scheinbar nur genervt durch die Störung (so ein Goldüberzug kann schon mal für 1-2 Minuten lästig sein) den Berg, um an Seestadt Rache zu nehmen. Ganz logisch erscheint das Vorgehen nicht, aber Hauptsache der Drache ist erst mal vor der Tür.

Soweit, so gut. Wie es mit Smaug und Seestadt weitergeht sehen wir im nächsten Teil. Cooler Cliffhanger. Und eigentlich ein guter Film. Wenn man die DVD zu Hause hat, und die Action-Szenen einfach im Fast Forward Modus anschaut. Dann hat der Film eine gute Länge, und vor allem keine Längen.

Alle Bilder (c) Warner Bros.

Marie- Noëlle Biemer studierte Anglistik, Russistik und BWL an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und Business Studies an der University of Bradford, UK. Sie arbeitet als Redakteurin bei einer englischsprachigen Fachzeitschrift in Frankfurt. Zu ihrem Lieblingsthema William Morris und dessen Einfluss auf J.R.R. Tolkien hat sie bereits zwei Artikel veröffentlicht. Als Pressesprecherin der Deutschen Tolkien Gesellschaft kümmert sie sich um Presseanfragen, –mitteilungen und die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins. Sie ist außerdem Redakteurin der DTG Website.

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